Die heutige Theologie ist von Profanität geprägt. In früheren Zeiten war ›Christi Himmelfahrt‹ noch von der Vorstellung getragen, daß die Ascensio Domini (Aufstieg des Herrn) durch einen Ortswechsel vonstatten ging, die Aufnahme als Gottes Sohn bei seinem Vater in den Himmel. Davon will weder die protestantische noch die katholische Theologie heute mehr etwas wissen, Jesus sei kein »Raketenmann«, und es sei auch der Vergleich mit einem Flug in den Weltraum nicht mehr zulässig. Dabei könnte man zumal die männliche jüngere Generation für Jesus interessieren, wenn man das Bild des Raketenmannes mit dem Raketenrucksack verbindet, auch Jet-Pack genannt, eine auf dem Rückstoßprinzip basierende, tragbare Antriebseinheit, mit der ein Einzelner sich frei in der Luft bewegen kann. James Bond, Agent 007 (gespielt von Sean Connery) in dem 1965 veröffentlichten Film ›Thunderball‹ tötet in der Anfangsszene des Streifens einen Agenten der Verbrecherorganisation ›Phantom‹ und kann sich mit Hilfe eines Raketenrucksacks in Sicherheit bringen. Die Geschwindigkeit betrug allerdings nur 11 bis 16 Stundenkilometer, die erreichte Höhe nur neun Meter, und die Dauer nicht mehr als zwanzig Sekunden. Mittlerweile aber hat der technische Fortschritt es ermöglicht, ein düsengetriebenes Modell zu betreiben, das hundert Stundenkilometer erreicht, eine Höhe von dreitausend Metern und eine Flugdauer von zehn Minuten. Leider bleibt damit das von Christus zu erreichende Ziel immer noch in weiter Ferne, aber wenigstens wäre das am so genannten Himmelfahrtstag für manche männlichen und vielleicht auch weibliche Christen eine sportliche Herausforderung, auf den Wegen des Herrn zu wandeln.
In seinen Lebenserinnerungen beschreibt der berühmte Philologe Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff (1848–1932) die Zeit von 1848 bis 1914 und geht auch auf die Jahre zwischen 1876 und 1883 ein, in denen er als Professor in Greifswald wirkte. In einer kurzen Szene berichtet er von dem Zusammentreffen zweier seiner Kollegen: Otto Zöckler (1833–1906), ein evangelischer Theologe, der aber auch eine gründliche Kenntnis der Naturwissenschaften vorweisen konnte und versucht hatte, den Offenbarungsglauben mit der modernen Naturwissenschaft zu versöhnen. Dabei war er aber, wie Wilamowitz kurz anmerkt, »starrgläubig«, und das »trotz seiner naturwissenschaftlichen Interessen«. Im Gespräch mit dem wesentlich älteren Kollegen, dem protestantischen Theologen Johann Wilhelm Hanne (1813–1889) wurde Zöckler von Hanne gefragt, »mit welcher Schnelligkeit Christus gen Himmel gefahren sei, und wo der Himmel läge«. Zöckler, nicht faul, schleuderte dem ihn herausfordernden Hanne entgegen, Christus sei noch weit über den Sirius hinausgekommen, und das mit der Geschwindigkeit einer Kanonenkugel. Man sieht, der sowohl theologisches Wissen wie naturwissenschaftliche Technik zu verbinden suchende Geistliche war um eine ›moderne‹ Antwort nicht verlegen. Doch das half ihm nicht. Johann Wilhelm Hanne machte es wie bei einem Matchball. Mit einem Satz entschied er das Spiel für sich. Er sagte: »Dann fliegt er noch.«