Im Jahr 1683 erschienen die ›Dialogues des morts‹, Autor war Bernard le Bouvier de Fontenelle (1657–1757). In diesen fiktiven Gesprächen wurden Personen der Geschichte zusammengebracht, die sich während ihres Lebens niemals begegnet waren. Es gab neben Fontenelle eine ganze Reihe anderer Autoren, die dieses Konversationsspiel pflegten, so Boileau, Fénelon, Voltaire, Henry Fielding und Christoph Martin Wieland (›Gespräche im Elysium‹, 1780). Aller Vorbild war aber Lukian (um 120 – um 180), der neben ›Göttergesprächen‹, ›Hetärengesprächen‹, ›Meergöttergesprächen‹ auch ›Totengespräche‹ verfaßte. Hier wird diese lange Tradition fortgeführt.
Frank Zappa meets Teresa von Avila
Er stellte sich vor, der große Kirchenphilosoph Thomas von Aquin, gestorben 1274, nachdem er die Gedanken seiner Zeit unsäglich mühevoll in beste Ordnung gebracht hatte, wäre damit noch gründlicher in die Tiefe gegangen und soeben erst fertig geworden; nun trat er, durch besondere Gnade jung geblieben, mit vielen Folianten unter dem Arm aus seiner rundbogigen Haustür, und eine Elektrische sauste ihm an der Nase vorbei. (Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften [1930]. In: ders.: Gesammelte Werke, Bd. 1, Erstes Buch, Kapitel 16, (Hg.) Adolf Frisé, Reinbek b. Hamburg 1978, 59)
Frank Zappa: Hi, Teresa, nice to finally meet you.
Teresa von Avila: Oh, würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir uns auf Deutsch unterhalten? In meinem Zeitalter wurde die englische Sprache noch nicht so weltumfassend gelehrt wie heute. Und natürlich auch das Deutsche nicht, zumal ich ja aus Kastilien komme, aber auf Spanisch wollen wir uns wohl erst recht nicht unterhalten.
Frank Zappa: Aber gerne, ich habe in einem meiner Songs mit dem Titel ›Sofa No 2‹ auf dem Album ›One Size Fits All‹ (1975) sogar alles auf Deutsch formuliert: I am the heaven / I am the water
Teresa von Avila: Das ist aber Englisch…
Frank Zappa: Ja, ich weiß, es geht aber gleich weiter: Ich bin der Dreck unter deinen Walzen (Oh no, whip it on me, honey!)
Teresa von Avila: Schon wieder Englisch. Und was bedeutet ›Walzen‹?
Frank Zappa: Please, pay attention! Ich bin dein geheimer Schmutz / und verlorenes Metallgeld / (Metallgeld) / ich bin deine Ritze / Ich bin deine Ritze und Schlitze
Teresa von Avila: Du liebe Güte! Das haben Sie geschrieben? Wenn ich nicht wüßte, daß es die Künstliche Intelligenz à la ChatGPT 1975 noch nicht gegeben hat, würde ich sagen: das hat kein Normalsprachlicher verfaßt, sondern eine verrückte Maschine. Ich bin deine Ritze und Schlitze! Verbirgt sich dahinter eine Anzüglichkeit, die gewisse Menschen wie Sie gern benutzen?
Frank Zappa: Ich bin der Autor aller Felgen / Und Damast Paspeln / Ich bin der Chrome Dinette / Ich bin der Chrome Dinette / Ich bin Eier aller Arten
Teresa von Avila: Bitte hören Sie auf, das wird ja immer schlimmer! Felgen! Eier! Ich möchte gar nicht erst wissen, was Damast Paspeln sein sollen!
Frank Zappa: Ich bin alle Tage und Nächte / Ich bin alle Tage und Nächte / Ich bin hier (Aye-ah!) / Und du bist mein Sofa
Teresa von Avila: Na, am Schluß wird es ja wieder verständlicher, fast schon normal: Und du bist mein Sofa. Wollen Sie damit sagen, daß Sie ein verläßlicher Mensch sind und die hier Angesprochene wie ein vertrautes Möbelstück behandeln dürfen? Im Sinne von: setz’ dich zu mir und rede mit mir?
Frank Zappa: Oder setz’ dich auf mich drauf, if you know what I mean.
Teresa von Avila: Sie schlimmer Junge, man hat mich vor Ihnen gewarnt, aber ich bin nicht prüde, ganz und gar nicht. Als Philosophin ist mir nichts Menschliches fremd und als praktizierende Nonne war ich auch niemals weltfremd.
Frank Zappa: Zappa ist das italienische Wort für Hacke. Damit müssen die sizilianischen Bauern den trockenen Boden ihrer Heimat aufhacken, um etwas zu säen. So ähnlich bin ich ja auch vorgegangen. Mit meiner Musik habe ich den nicht empfängnisbereiten Boden des menschlichen Bewußtseins aufgehackt. By the way, die Mutter meiner Mutter hieß Theresa, eine strenggläubige Katholikin. Meine Mutter Rose Marie wäre beinahe in ein Kloster eingetreten. Als ich drei Jahre alt war, sah ich einmal auf der Straße einige Nonnen und ich soll gerufen haben: »Schau mal, Pinguin-Frauen!« Können Sie sich vorstellen, daß ich, bis ich 18 war, ständig zur Beichte gegangen bin? Die Nonnen zeigten uns alle diese Bilder von der Hölle, zeigten uns das lodernde Feuer und was passieren würde, wenn wir nicht parieren würden. Da sagte ich: »Hey, Spitze, das ist ja richtig aufregend!« Meine Eltern wollten, daß ich Meßdiener werde. Als eine dieser Pinguin-Nonnen mir aber mit einem Lineal auf die Hand geschlagen hatte, quittierte ich den Dienst. Mir gefiel auch nicht das ständige Niederknien, das zerknitterte doch meine Vorderschuhe.
Teresa von Avila: Sie sind aber ein richtiger Spaßvogel! Das hat mir auch schon so an diesem Film von Federico Fellini gefallen, in der eine fiktive Modenschau im Vatikan gezeigt wird und wo Nonnen in Designertracht und auf Rollschuhen vor dem Papst und seinen Kardinälen die allerneueste Sakralmode vorführen. Pinguine auf Rollerblades, köstlich!
Frank Zappa: Als ganz junger Mann habe ich in meinem ›Studio Z‹ ein Leben voller besessenen Overdubbens geführt, zwölf Stunden am Tag. Die Sittenpolizei in San Bernadino County begann sich für mich zu interessieren. Die hatten ein Loch in die Wand des Studios gebohrt und beobachteten mich mehrere Wochen lang. Ein angeblicher Gebrauchtwagenverkäufer sagte mir, seine Freunde wollten eine Party geben und ob ich, da vor meinem Studio ein Plakat mit der Aufschrift ›TV-Filme‹ hing, dafür einen »aufregenden Film« drehen könne. Er nannte mir all die verschiedenen Praktiken, die er in dem Film verewigt haben wollte. Unsere Unterhaltung wurde von der Sittenpolizei abgehört. Am Abend stellte ich das Band mit Hilfe eines Mädchens her, ungefähr eine halbe Stunde voll vorgetäuschten Stöhnens und quietschender Bettfedern. Ich blieb die ganze Nacht auf, um das Gelächter herauszuschneiden und fügte noch etwas Hintergrundmusik dazu. Am nächsten Tag kam der Kunde, ein Detective Willis, vorbei, und auf einmal flog die Tür auf, Blitzlichter flackerten, Reporter rannten durch das Studio, und um meine Handgelenke schlossen sich Handschellen. Man klagte mich wegen ›Verschwörung zur Verbreitung von Pornographie‹ an. Das Urteil lautete: Sechs Monate Gefängnis, die bis auf zehn Tage zur Bewährung ausgesetzt wurden. Die Wärter ließen die ganze Nacht über die Lichter an, um uns vom Schlafen abzuhalten. Tagsüber herrschten Temperaturen von rund 40 Grad Celsius. Die zehn Tage, die ich im Trakt C des Bezirksgefängnisses von San Bernardino verbrachte, waren außerordentlich lehrreich. Sie machten mich mißtrauisch gegenüber der amerikanischen Gesellschaft mit ihren geheuchelten moralischen Normen, die täglich von ihren Mitgliedern gebrochen wurden. Denken Sie nur an die Teleevangelisten, die sich Prostituierte bestellen und, wenn sie erwischt werden, vor die Kameras treten und mit gespielten Tränen in den Augen ihre ›Sünden‹ bekennen. Dann sollen die Idioten, die diesen Fernsehpriestern Geld gespendet haben, ihnen dann aber auch verzeihen, denn es gilt das Schema: Erst kommt die Sünde, dann die Vergebung. Die Wörter, die ich auf der Bühne benutzte, sind kein Protest gegen meine katholische Erziehung, sondern direkte Kommunikation. Der männliche Katholik kniet nieder, um zu Gott zu beten, aber in Wirklichkeit wünscht er sich, daß er stehen bleibt und das nette Mädchen aus dem Nachbarhaus vor ihm niederkniet und es ihm mit dem Mund besorgt. Deshalb habe ich auch ein grunzendes Schwein in viele meiner Songs eingebaut. Ich glaube, daß die Popmusik mehr für den oralen Sex getan hat als alles andere in der Welt. Und es ist gut für die Mädchen. Die meisten von ihnen werden schließlich mal normale Arbeiter heiraten. Und die werden glücklich darüber sein, eines dieser Mädchen abzukriegen, ein Mädchen, das schon eine bestimmte Ebene sexueller Erfahrung erreicht hat. Das tut dem ganzen Land gut. Es mußte immer etwas Gewagtes auf der Bühne passieren, denn das war diesen gläubigen Typen so peinlich, doch insgeheim gefiel das denen doch, weil jemand sich traute, was jeder und jede sich erträumte. Häufig begrüßte ich bei meinen Konzerten das Publikum mit ›Hi, pigs!‹ Es ging immer auch darum, zu testen, wieviel Beschimpfung das Publikum zu ertragen bereit war. Die meisten Leute begreifen, daß das, was ich gemacht habe, Satire ist. Denen geht es nicht in erster Linie um Musik, für das Publikum gibt es nichts Einfacheres als Klamauk.
Teresa von Avila: Vielleicht sind Sie mit meinem Leben nicht so vertraut, ich bin ja auch schon so lange tot, so daß es sicher gut wäre, wenn ich Ihnen ein wenig aus meinem Leben erzähle. Geboren bin ich am 15. März 1515 in Avila, das liegt in Kastilien, mit einundzwanzig Jahren trat ich ins heimische Karmelitinnenkloster ein. Im Laufe meines Lebens habe ich dann insgesamt fünfzehn Klöster gegründet, aber das wurde mir von der spanischen Inquisition nicht gutgeschrieben, immer wieder wurde ich aufgrund von Denunziationen vorgeladen, doch ich wurde immer wieder von allen Anschuldigungen freigesprochen. Die Richter dieser Welt sind lauter Männer, habe ich in dem Buch ›Wege der Vollkommenheit‹ geschrieben, und es gibt keine Tugend der Frau, die sie nicht für verdächtig halten. Ich hatte niemals Angst vor der Inquisition. Ich habe mich sogar häufig der Ironie bedient, um meine Peiniger lächerlich zu machen. Es waren schwere Zeiten, weil der Verdacht auf alle Menschen fiel und niemand sicher sein konnte, nicht plötzlich verfolgt zu werden. Aber Humor war eben damals noch kein weitverbreitetes Mittel der Befreiung von der Drangsal des Daseins. Das mußte ich gegenüber meinen Schwestern im Kloster immer wieder hervorkehren, denn sie nahmen die weltlichen und klösterlichen Dinge des öfteren all zu ernst. So schrieb ich: »Hütet euch, meine Töchter, vor Sorgen, die euch nichts angehen. Schaut, es gibt in dieser Burg nur wenige Wohnungen, in denen die bösen Geister vom Kämpfen absehen. Da gibt der böse Geist einer Schwester heftige Anstürme nach Buße ein, so daß sie meint, nicht zur Ruhe zu kommen, außer indem sie sich ständig kasteit. Es ist eigentlich ein gutes Prinzip, doch wenn die Priorin angeordnet hat, ohne Erlaubnis keine Buße zu tun, der böse Geist sie jedoch zu der Meinung verführt, daß sie es bei etwas so Gutem wohl wagen darf, und sie sich insgeheim ihr Leben so einrichtet, daß sie allmählich ihre Gesundheit einbüßt und der Anordnung der Regel nicht mehr folgt, dann seht ihr, wo dieses Gute endet. Einer anderen gibt der böse Geist einen sehr großen Eifer nach Vollkommenheit ein, was sehr gut ist, doch könnte es dahin führen, daß ihr jedes winzige Versäumnis der Mitschwestern wie ein schwerer Verstoß und als etwas vorkommt, auf das man achten muß, um dann zur Priorin zu rennen. Und manchmal könnte es sogar sein, dass sie vor lauter Eifer für die Ordenszucht ihre eigenen Fehler nicht mehr sieht.« Sie sehen, es gab eine Menge für mich zu tun, um meine Mitschwestern nicht auf Irrwege gelangen zu sehen.
Frank Zappa: Fine. Das ist schön, denn ich glaube, wir haben eine ganze Menge Gemeinsamkeiten. Ich habe ihre Schrift ›Die innere Burg‹ gelesen und es erinnerte mich an meine damalige Situation hier in Los Angeles. Versuchen Sie sich einmal vorzustellen, was das Gegenteil von Einsamkeit ist. Versteh’ doch, daß du isoliert bist. Genieß’ das! Freu dich drüber! Sei doch froh, daß da nicht ein Haufen Leute sind, die deine Zeit verschwenden. So was kannst du dir nirgendwo kaufen. Ich hasse L.A. und deshalb bin ich auch nie zu den Partys gegangen, die man da ständig gegeben hat. Nachdem sie nett zu dir waren, wollen sie jetzt auch was von dir. Und sie haben dir doch schon deine Zeit genommen. Ich blieb viel lieber zuhause, genauer gesagt: im Basement meines Hauses, wo ich für viel Geld ein großes Aufnahmestudio habe einrichten lassen. Als ich Ende der achtziger Jahre mein anstrengendes Tourleben aufgab, habe ich alle die vielen Live-Mitschnitte geordnet und neu abgemischt. Daraus ist dann die Serie ›You can’t do that on stage anymore‹ entstanden.
Teresa von Avila: Sie haben auf Ihren Konzerten immer eine Abteilung gehabt, wo Sie sagten: »What’s the secret word for tonight?« Nun, ich habe mir Ihre Texte zu den Musikstücken einmal daraufhin angesehen, ob man in diesen ein wiederkehrendes Muster finden könnte, und ich bin fündig geworden. Das geheime Wort Ihrer Songs lautet: Plastik. Die kulturelle Einöde der amerikanischen Vorstadt. Ihr Biograph hat das so beschrieben: »Das Leben in Amerika kennt wenig Varianten und ist vorhersagbar: Coca-Cola, Hamburger-Ketten und Kaffeestuben – in jeder Stadt überall gleich. Holiday Inn warb mit dem Slogan: ›Die beste Überraschung ist keine Überraschung.‹ Alles ist ein Massenprodukt. Zappa feierte diese Gleichförmigkeit, Häßlichkeit, Schäbigkeit und ihren Mangel an Geschmack. Zappa reagierte auf den Lebensrhythmus Südkaliforniens, und er hatte ein Gespür dafür, was diesen in Gang hielt. Zappas Musik konnte aus keiner anderen Stadt als L.A. kommen. Der entspannte Rhythmus der kalifornischen Autokultur schwingt darin mit, der Beat der Freeways, des ziellosen Durch-die-Gegend-Fahrens. Zappas innerer Rhythmus war wie ein Echo des Sounds der Vorstädte.« (Barry Miles: Zappa, London 2004; dt. Berlin 2005, 253f.).
Frank Zappa: ›What will you do if we / Let you go home, / And the plastic’s all melted / And so is the chrome‹ — Das ist aus meinem Song ›Who are the brain Police‹ aus dem Album ›Freak Out‹ von 1966, das war die erste Rock-Doppel-Langspielplatte überhaupt. Wir nannten uns ›The Mothers of Invention‹, gezwungenermaßen, denn die Leute von der Plattenfirma hatten sich davon überzeugt, daß kein Diskjockey jemals die Platte einer Band namens ›The Mothers‹ spielen würden. Denn unausgesprochen wußte jeder, daß der Name eine Kurzform von ›The Motherfuckers‹ war. Nur für Musiker aber ist klar, daß damit jemand bezeichnet wird, der sein Instrument ungewöhnlich gut spielt. Wir waren alle häßliche Typen mit abgedrehten Klamotten und langen Haaren: genau das, was die Unterhaltungsbranche brauchte.
Teresa von Avila: Sie haben drastische Mittel für einen moralischen Zweck verwendet, dagegen kann man nichts einwenden, im Gegenteil, das muß ein Künstler sogar von sich verlangen, dazu zwingt ihn seine innere Stimme praktisch.
Frank Zappa: Ein Beispiel. In meinen Texten und meiner Musik habe ich dem Humor und der Ironie großen Raum gelassen, eine meiner späten Langspielplatten trug sogar den ironischen Titel ›Does Humor Belong in Music?‹ (1986). Angefangen habe ich mit meiner Band ›Mothers of Invention‹ Ende der 1960er Jahre, da haben wir besondere Bühnenshows präsentiert. Da war zum Beispiel eine riesige Giraffe aus Stoff, die mit einem langen Schlauch ausgerüstet war, die der Leadsänger unserer Band mit einer Frosch-Handpuppe so lange massierte, bis der imaginäre Schwanz der Giraffe steif wurde und sich eine Ladung Schlagsahne in die ersten Reihen des Zuschauerraums entlud. Das war vielleicht ein Spaß! Die Leute wollten das immer wieder sehen. Nun, Musik und Theater sind immer ein Gesellschaftskommentar und wenn ich die Grausamkeiten der ›Marines‹ im Vietnam-Krieg gegen den Vietkong und die Vietnamesen auf der Bühne simuliert habe, so ist das ein legitimes künstlerisches Mittel gewesen, denn bei mir sind ja keine Menschen gestorben, bei den Bombardierungen von Vietnam aber schon. Einmal kamen drei Marines in voller Uniform und setzten sich in die erste Reihe. Ich fragte sie, ob sie Lust hätten, mit der Band auf der Bühne zu singen und sie sagten ja und ich ließ sie ›Everybody Must Get Stoned‹ singen. Dann schlug ich ihnen vor: Warum zeigt ihr nicht den Leuten im Saal, womit ihr Jungs euch den Lebensunterhalt verdient? Ich gab ihnen eine große Puppe und sagte: »Stellt euch einfach vor, daß das ein ›Schlitzaugenbaby‹ ist. Schlitzaugen war ein Kennwort für die Vietnamesen. Während wir spielten, schlitzen sie die Puppe auf und verstümmelten sie. Es war wirklich grausig. Niemand lachte.
Teresa von Avila: Sie haben eine ganze Reihe von Liebesliedern geschrieben, die alle sehr melodisch zum Mitsummen und Mitwippen sind, ›Fountain of Love› zum Beispiel, die erinnern an die Stücke, die in den 1950er Jahren als einfache Schlager im amerikanischen Radio liefen. Dabei sind auch Stücke, deren Inhalt schockierend ist, so in dem Lied ›Suicide Chump‹: »You say there ain’t no use in livin‘ / It’s all a waste of time / And you wanna throw your life away / Well people that’s just fine / Go ahead on and get it over with then / Find you a bridge and take a jump / Just make sure you do it right the first time /Cause nothing’s worse than a suicide chump.«
Frank Zappa: Das Fazit lautet: Wenn du dich schon umbringen willst, dann stell’ es aber richtig an, denn keiner mag jemanden, der es versucht und dann doch dabei versagt. Ein Chump ist ein Trottel. Über die Liebe: There ain’t no such thing as love, heißt es in einem meiner Songs, aber in einem anderen sage ich dann: I’m sure that love will never be a product of Plasticity. In einem anderen mache ich mich über die kommerziell-kitischigen Lovesongs lustig: »Love of my life, I love you so / Love of my life, don’t ever go / I have you only / Love, love of my life.« Ja, und ›Fountain of Love‹ ist auch so ein Song, in dem ich diese verlogenen Bilder von der Liebe, die die Schlagerindustrie den Leuten zum Fraß vorwirft, parodiere: »It was September, the leaves were gold / That’s when our hearts knew that story untold / We were young lovers strolling near / The fountain of love, fountain of love / Fountain of love.« Was ich an einigen Rock-and-Roll-Songs besonders zynisch finde, ist die Art und Weise, mit der sie sagen: ›Ich möchte dich lieben‹. Wer ist denn so bescheuert und sagt so etwas im wirklichen Leben? Man sollte eigentlich sagen: ›Ich will dich bumsen.‹ Aber um ins Radio zu kommen, muß es ›Ich will dich lieben‹ heißen, nicht: ›Bums mich, fick mich richtig durch!‹. Sex ist nur eine mechanische Freisetzung von Energie und Körpersäften, hormonelle Unterhaltung. Das Leben könnte man als komplexe Form elektrochemischer Unterhaltung beschreiben. Elektrische Impulse verändern chemische Substanzen, die sich neu zusammensetzen und elektrische Impulse erzeugen, die wiederum etc. etc. etc., was schließlich zum ›Leben als Verhaltenstheater‹ führt.
Teresa von Avila: Worüber ich mich immer wieder ärgere, das ist diese Marmorskulptur von mir, von Giovanni Lorenzo Bernini 1652 erschaffen. Man sieht einen Engel, der mit einem Pfeil auf das Herz einer Heiligen, das soll ich sein, zielt, und die Heilige wirft den Kopf in den Nacken und öffnet ihren Mund, verzückt und entrückt, als wenn sie gerade einen Orgasmus bekommt. Angeblich war das Vorbild für diese Skulptur meine Autobiographie. Man hat mich dann als Symbol der ›Sinnlichkeit des barocken Katholizismus‹ mißbraucht.
Frank Zappa: Die katholische Kirche hat noch nie vor Obszönitäten zurückgeschreckt. Die Heiligen an den Säulen ihrer Kirchen, ihre Hälse renken sich zu verderbten Längen, der Blick wird auf die bebenden Nasenlöcher gelenkt, die Engel lagern wie in Lotterbetten, der kurze Moment vor der vollständigen Entblößung gebauschter Schenkel.
Teresa von Avila: Die Bigotterie ist die Ursünde der katholischen Kirche. Aber die weltlichen Sphären sind ebenso verwerflich.
Frank Zappa: Kennen Sie diesen Peeping Tom namens Suckerberg? He was a student and founded this ›Facebook‹ to spy on women on the campus, to get pictures of naked women. He was a little wanker, a weasel, he was so repulsive so that no girl would have wanted to screw him. Now this jerk is a multimillionaire because a billion of people all around the world are stupid enough to log in to this ludicrous ›Facebook‹, where they exchange silly messages because they can’t imagine anything else than gossip. Now he has joined the new American government, with Dagobert Dump as president to suck his ugly dick together with this Egon Mushroom, another dwarf who made a fortune and now has found a way to influence the masses. Einige Wissenschaftler behaupten, daß Sauerstoff wegen seiner Häufigkeit der Grundbaustein des Universums ist. Dabei gibt es mehr Dummheit als Sauerstoff, und das ist der Grundbaustein des Universums. Die Idioten, die diesen Dump gewählt haben, beweisen doch nur, daß ich recht mit meiner Behauptung habe.
Teresa von Avila: Es ist schon tragisch, wie die Menschheit sich zugrunderichtet. Zu meiner Zeit gab es auch solche Personen, die nur Unheil über die Welt gebracht haben. Und es ist ja nur noch schlimmer geworden. Von Kierkegaard gibt es folgende Anekdote: »In einem Theater brach hinter der Bühne ein Feuer aus. Der Clown kam heraus, um das Publikum zu warnen; sie hielten es für einen Scherz und applaudierten. Er wiederholte es und der Beifall war noch größer. Ich glaube, genau so wird die Welt untergehen: unter allgemeinem Beifall von Menschen, die glauben, es sei ein Scherz.«
Frank Zappa: That’s what we always tried to tell the people who came to our concerts! Teresa, it’s so lovely to have met you. You have such a strong mind.
Teresa von Avila: You are welcome, Frank. Now let’s get out of here and have some fun. What would you recommend?
Frank Zappa: Well, I’m not sure, but we could get to the eternity lake and swim a few rounds.
Teresa von Avila: Das ist ein guter Vorschlag. Aber ich habe keinen Badeanzug dabei.
Frank Zappa: Ich habe auch keine Badehose… well, we could try to swim in the nude.
Teresa von Avila: What a wonderful idea, if only my fellow nuns could have experienced this. Let’s go crazy!
(Sie spazieren gemächlich zum See und singen gemeinsam):
Let me tell you about this right now
Let me tell you about this right here
You know you put me in office
So you must have wanted me in office
The man in the White House — oooh!
There’s just one thing I wanna know —
How’d that asshole ever manage to get in?