Ich hatte eine sichere Methode und als Anarchist bediente ich mich rechtmäßig aller Mittel, um mich zu bereichern. (Fernando Pessoa: Ein anarchistischer Bankier, 1922)

 A.: (Hält eine laufende Kettensäge in den Händen und fuchtelt damit in der Luft herum) Wruumm! Wruumm! Wruumm! Waffen für alle! Keine weiteren Beschränkungen beim Waffenbesitz!

B.: Sind Sie wahnsinnig geworden? Tun Sie doch diese Kettensäge weg, Sie gefährden ja Ihre Umwelt!

A.: Freiheit! Freiheit! Heute beginnt der Wiederaufbau! Die Zukunft ist liberal!

B.: Ach so, Sie tun so, als seien Sie der Wahlgewinner in Argentinien. Dieser Clown, der sich als ›Anarchokapitalist‹ aufgespielt und bei seinen öffentlichen Auftritten eine Kettensäge mitgebracht hat.

A.: Abschaffung der Landeswährung! Einführung des amerikanischen Dollars!

B.: Nun ist aber gut, hören Sie doch auf mit diesem Getue! Wen wollen Sie denn damit überzeugen?

A.: Na, Sie sind ja gut! Wenn wir die Welt retten wollen, dann müssen wir über den Tellerrand schauen. Und die Liberalisierung des Waffenbesitzes ist ein Anfang. Und die globale Geltung des US-Dollars!

B.: Als ob die Welt nicht schon genug Waffen hätte! Sie sind ein armer Irrer!

A.: Wenn Sie sich da mal nicht irren. Ich bin die Zukunft. Dem Anarchokapitalismus gehört die Zukunft. Wir glauben an nichts, nur an die freien Kräfte des Marktes. Der Markt ist absolute Demokratie. Keine Religion, keine Ideologie mischt sich dann mehr in das Weltgeschehen ein. Alles regelt der Markt.

B.: Das hat man Ende des 19. Jahrhunderts auch schon geglaubt und es den Leuten weismachen wollen. Aber man war dann doch froh, wenn der Staat als Garant und Retter eingesprungen ist.

A.: Ja, aber nur, wenn der Staat durch Anarchokapitalisten wie mich geführt wird. Ich weiß, wo es langgeht. ›Die Freiheit schreitet voran‹! So heißt das Wahlbündnis, das jetzt in Argentinien die Wahl gewonnen hat. Wir werden das Land umkrempeln, da werden Ihnen die Augen übergehen.

B.: Ich sage es noch einmal: Sie sind nicht der, der zu sein Sie vorgeben. Sie tun nur so, Sie spielen einen anderen.

A.: Jaja, mag sein, aber nun lassen Sie mir doch meine Freude, es ist ein so schönes Gefühl, Anarchokapitalist zu sein. Schon dieses Wort ›Anarchokapitalist‹ setzt tausend Glücksgefühle in mir frei. Anarcho ist geil. Es ist Musik in meinen Ohren.

B.: Diesen Floh hat Ihnen ein gewisser Murray Rothbard ins Ohr gesetzt. Das war ein amerikanischer Ökonom, der von der »Souveränität des Individuums« schwafelte und meinte, jedes Individuum sei »Eigentümer seiner selbst«. Das führte ihn dann zu der Behauptung, daß Eltern nicht dazu verpflichtet seien, ein geborenes Kind zu versorgen. Damit nicht genug an Schwachsinn und Unmenschlichkeit, er sagte des weiteren, daß die Eltern Treuhänder ihrer Kinder seien und damit sei dann das Recht verbunden, ihre Kinder auch verkaufen zu dürfen. Da der Staat für diesen Professor die Verkörperung des Paternalismus bedeutete, sei die Schulpflicht abzulehnen, denn sie erzeuge »Uniformität« und untergrabe damit die individuelle Vielfalt.

A.: We don’t need no education! Mein Lieblingssong!

B.: Das glaube ich Ihnen gern und man merkt es an jeder Äußerung, die Sie tun.

A.: Wir brauchen keinen Staat und keine Armee. Die freien Bürger entscheiden selbst, ob sie sich zu verteidigen haben. Wenn die freien Bürger feststellen, daß eine solche Situation eingetreten ist, dann begeben sie sich zu einem Waffenhändler ihres Vertrauens und versorgen sich mit Waffen und Munition.

B.: Ja, und dann wenden sich die bewaffneten Haufen, die kleine Meinungsverschiedenheiten haben, gegeneinander und wir haben Bürgerkrieg.

A.: Nun seien Sie doch nicht so negativ. Jeder Staat, gleich welcher politischen Form, verletzt ständig die individuellen Rechte der Bürger. Deshalb muß die Sicherheit der Bürger durch eine private Sicherheitsindustrie gewährleistet werden.

B.: Schrankenlose Vertragsfreiheit zerstört sich selbst. Das hat Otto von Gierke bereits 1889 gesagt. »Eine fürchterliche Waffe in der Hand des Starken, ein stumpfes Werkzeug in der Hand des Schwachen, wird sie zum Mittel der Unterdrückung des Einen durch den Anderen, der schonungslosen Ausbeutung geistiger und wirtschaftlicher Übermacht.« Ein freier Markt kann nur innerhalb eines staatlichen Gemeinwesens existieren. Was Sie aber anstreben, das ist die Bewaffnung der Gesellschaft und das führt zur Bildung von bewaffneten Banden, die dann die Gesamtgesellschaft terrorisieren. Das ist dann das Ende der von Ihnen so geheiligten Freiheit.

A.: Ich lasse mir doch nicht von Ihnen die Stimmung verderben. Freiheit! Freiheit! Heute beginnt der Wiederaufbau! Die Zukunft ist liberal! Die Freiheit schreitet voran!

B.: Wann kommt endlich der Krankenwagen, den ich gerade bestellt habe?!