Daß die wichtigsten Dinge durch Röhren getan werden. Beweise erstlich die Zeugungsglieder, die Schreibfeder und unser Schießgewehr, ja was ist der Mensch anders als ein verworrnes Bündel Röhren? (Georg Christoph Lichtenberg)

Every sperm is sacred / Every sperm is great / If a sperm is wasted / God gets quite irate (Monty Python’s Flying Circus)

Die hannoversche Stadtverwaltung hat den Betreiber eines Kondomautomaten in der Herren-Toilette der Empfangshalle des Neuen Rathauses aufgefordert, diesen zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu entfernen, sollte dies nicht erfolgen, werden wir dies veranlassen. Der Automatenaufsteller brachte die Stadtverwaltung nicht in Verlegenheit, er montierte den Automaten fristgerecht ab und gab gegenüber einem lokalen Zeitungsreporter an, der Automat sei nie vollgeschmiert oder beschädigt worden, auch sei der Automat einer gewesen, aus dem ich regelmäßig eine große Handvoll Geld herausgeholt habe.  Anscheinend gehören die Mitglieder des Rathauses zu den Angehörigen des Menschengeschlechts, die in gewissen zeitlichen Abständen dem Geschlechtsverkehr nachgehen. Die Stadtverwaltung hat in einer schriftlichen Stellungnahme der Öffentlichkeit mitgeteilt, es habe wiederholt mündliche Beschwerden beziehungsweise auch belustigte oder irritierte Nachfragen gegeben. Diesen Nachfragen hat die Stadtverwaltung Rechnung getragen, zumal es, wie die Stadtverwaltung in ihrer Stellungnahme betonte, aus Kreisen der Bevölkerung Hinweise gegeben habe, daß dieser Automat in einem denkmalgeschützten, altehrwürdigen Gebäude wie dem Neuen Rathaus an einer Toilettenwand festgeschraubt worden seien. Der Automatenaufsteller erklärte ferner, er sei von der hannoverschen Stadtverwaltung im Dezember letzten Jahres angerufen worden und man habe ihn gefragt, ob so ein Kondomautomat denn noch zeitgemäß sei. Es ist nicht bekannt, wie der Automatenaufsteller auf diese Anfrage geantwortet hat. Das ›Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit‹ hat eine Antwort auf die Frage, ob solche Automaten noch zeitgemäß sind. Oben ohne. Unten mit. So heißt einer der launigen Sprüche, mit denen das Institut für das zeitgemäße Tragen von Kondomen während des Geschlechtsverkehrs wirbt. Erst im Jahre 2011 war der Automat in der Herren-Toilette des Neuen Rathauses zu Hannover eingeführt worden. Vierzehn Jahre lang war er zeitgemäß, und es hat seit der Aids-Epidemie ein Vierteljahrhundert gedauert, bis man im altehrwürdigen Rathaus ein Einsehen hatte und einen Kondomautomat tolerierte. Nun ist er es nach dem Verwaltungsakt der hannoverschen Stadtverwaltung nicht mehr. Für das Titelbild eines sogenannten ›Nachrichtenmagazins‹ (›Meldepflicht für Aids?‹, Nr. 7/1987) hatte sich die damalige CDU-Gesundheitsministerin Rita Süssmuth in einem Ganzkörperkondom fotografieren lassen. Damals erklärte sie: Weil Aids-Aufklärung so wichtig ist, daß man auch ungewöhnliche Wege gehen muß. Seit dem Verwaltungsakt der hannoverschen Stadtverwaltung weiß die Öffentlichkeit aber nun, daß es Ablaufzeiten für Zeitgemäßheit gibt, schon deswegen, weil das Wort zeitgemäß unzweifelhaft darüber belehrt, daß alles seine Zeit hat, irgendwann alles der Zeit verfällt und den Weg alles Zeitlichen gehen muß. So bleibt den Mitgliedern des Neuen Rathauses nur die Wahl zwischen der Enthaltsamkeit, um dadurch mehr Zeit für die Sorge um das Allgemeinwohl der Bürger der Stadt Hannover zu bekommen, oder an einem anderen, womöglich schummerigen Ort, Geldstücke in den in vielen Fällen vollgeschmierten oder beschädigten Automaten zu werfen.