Also, wenn’s heuer noch zum Atomkrieg kommen sollte, dann bin ich gefeit. Weil in drei Wochen is er fertig, mei Bunker. Mir ham a Sauna drin, Gesellschaftsspiele, Brettspiele, is ja klar, weil in dieser langen Phase der Enthaltsamkeit, da muaßma ja was für die Psyche tun, sonst werst ja trübsinnig. Dann ham ma so Musikkassetten, Stereo, an Heino ham ma, d’ Vicky Leandros, für festliche Stunden, an Weihnachten sagn mir amal, an Mozart oder an Beethoven, für die Kinder dann an Frank Zappa. Ganz wichtig, die Lebensmittel. Mir ham vier Parzellen? randvoll gestaffelt mit Grundnahrungsmitteln, Mehl, Trockenei, Milchpulver, gell, weil in meiner Familie sans alles leidenschaftliche Mehlspeisenesser. Bevor da überhaupt eine Sirene pfeift, bin ich schon unten. Des heißt, ich und meine Familie. Und zwar ausschließlich, es sei denn, es is jemand ganz stark blutsverwandt. Also, wenn da irgenda Bsuch kamad, na da müaßma sich grad verabschieden, gell? (Gerhard Polt: Die Bunkerführung)

(Der schweizerische Waffenhändler Kuno Raeber sitzt auf dem Oberdeck seines atomgetriebenen U-Boots im Hafen von Monte Carlo und spricht in ein Smart-Phone. Vor ihm steht ein sehr trockener Martini.)

Kuno Raeber: Ah, komm’, geh’ weiter, ganz so wird’s ja nicht werden, aber Vorsorge ist immer besser als Nachsorge. (Nimmt eine Zeitung und liest vor): »CDU fordert mehr Bunker für Zivilschutz. Bundesweit sind nur noch 600 Anlagen mit Platz für 500.000 Menschen vorhanden.« Hast du es mitbekommen, was ich gerade vorgelesen habe? Ha? Selbstverständlich ist das crazy, keine Frage, aber wir sind vorbereitet und zwar auf alle Eventualitäten. Da sagt doch so dieser Hansel von dieser Partei, der sagt also: »Wir müssen angesichts der aktuellen Bedrohungslage den Zivilschutz wieder hochfahren, um die Menschen im schlimmsten Fall bestmöglich zu versorgen.« Ah, geh! In der Bundesrepublik Deutschland gibt es laut amtlicher Statistik 83,2 Millionen Einwohner, da sind Bunker, die Platz für eine halbe Million Menschen bieten, doch vor den Arsch. Rechne mal mit! Wie viele Personen in der Bundesrepublik gehören denn allein zur Elitegruppe, die fürs Überleben des Staates wichtig ist? Siehst du, schwierig. Sicher, der Bundesbankpräsident gehört dazu und natürlich der Kanzler, aber sollen alle Minister des Bundes und der Länder dazugerechnet werden? Da habe ich meine Bedenken, vor allem, weil ich die meisten dieser Leute im persönlichen Gespräch erlebt habe. Du liebe Güte, was sind da für Gestalten darunter, die würde kein mittelständischer Betrieb auch nur als Anlernling annehmen. Aber wer die Ochsentour in der Partei geschafft hat, der ist eben drin. Wie schon die alten Römer gesagt haben: Wer reinkommt, ist drin. Und die kriegt man dann auch nicht so leicht wieder weg, das ist praktisch wie der Hausschwamm, wobei man den gegen viel Geld ja sanieren kann, hähä. Insofern wäre so ein russischer Marschflugkörper… nein, nein, natürlich meine ich das nicht, aber man hat doch so seine Gedanken, nicht wahr? Wie auch immer, bei einer Präsenzstärke von 500.000 Bunkerplätzen ist ein enormer Aufholbedarf gegeben, und das haben jetzt diese Parteipolitiker auch offen zugegeben. Das kann man auch nicht aufholen und selbst wenn alle Bauunternehmen rund um die Uhr anfangen würden, solche Zivilbunkeranlagen zu bauen. Aber diese Begründungen! Man faßt sich an den Kopf. »Putin droht Europa.« Ja, entschuldige mal, aber wann hat denn der Russe seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs jemals nicht gedroht, das hörte doch mit dem Einstellen der Kampfhandlungen nicht auf, das ging doch immer weiter, mal in Form des Kalten Kriegs, und gelegentlich, wie jetzt in der Ukraine, auch etwas heißer. Da mag der Papst es als seine Aufgabe ansehen, den Kombattanten zu empfehlen, in Verhandlungen einzutreten und dem schwächeren Part des Kriegs die weiße Fahne empfehlen, weil: der Ober sticht den Unter, nicht wahr? Aber das ändert doch nichts an der Tatsache, daß wir noch immer die gleiche Konstellation haben, auch wenn es deutsche Politiker gibt, die von ›Zeitenwende‹ faseln. Ja, was soll denn das? Die Zeiten wenden sich doch dauernd, das hört nicht auf, und das bringt auch nichts, wenn man ein hochtrabendes Wort ins Feld führt. (Greift nach dem Martini-Glas und nippt daran.) Nun aber kommt’s. Ich habe eine ganze Anzahl von Baufirmen an der Hand, die Gewehr bei Fuß stehen, die lauern schon im Hintergrund mit der Betonmischmaschine. Es kann jederzeit losgehen, und dann geht es rund, das kann ich dir flüstern. Das wird ein Bombengeschäft und ein Selbstläufer. Natürlich nur, solange es weiter deutsche Politiker gibt, die in der Öffentlichkeit für uns kostenlos Reklame machen, indem sie die Lebensnotwendigkeit von Bunkerbauten betonen und uns mit Angst und Hysterie die besten Grundlagen für unser Geschäftsmodell bereiten. Da werden die Aufträge nur so fließen, ich werde ein paar neue Schreibkräfte einstellen müssen, um das zu erwartende Auftragsvolumen organisatorisch bewältigen zu können. Ich habe auch schon Architekten mit der Entwicklung von formschönen und komfortablen Bunkern beauftragt, das Ganze ist eine langfristige Sache, denn ist man erst einmal im Bunker, will man ja doch wohl nicht gleich wieder auftauchen und nachhause gehen, oder? Es muß daher eine gewisse Bunkergemütlichkeit erzeugt werden, allein schon innenarchitektonisch. Es darf unter keinen Umständen wie in der Wolfsschanze in Polen oder im Führerbunker in Berlin 1944/45 sein. Da wäre die Depression ja schon vorprogrammiert. Der Zweite Weltkrieg wäre vermutlich auch anders ausgegangen, wenn man schon solche innovativen ästhetischen Konzepte beim Bunkerbau angewendet hätte, die uns heute zur Verfügung stehen. Daß dieser Hitler sich die Kugel gegeben hat, ist eindeutig auf die deprimierenden Wohnverhältnisse im Führerbunker zurückzuführen gewesen, auch wenn der Russe schon vor den Toren der Reichshauptstadt gestanden ist und es doch schon etwas mulmig wurde. Unter solchen Umständen wäre wohl jeder bereit, sich aus dem Leben zu verabschieden. Also nein, der Bunker muß als Bunker auch von dem alten Image befreit werden, das besagt: Achtung, hier ist das Leben zwar geschützt, aber praktisch lebensmäßig ans Ende angelangt, weil es doch große Ähnlichkeit mit einem Zwinger hat, und wer nicht viel investigatives Kapital an der Hand hat, der wird sich gleich mit einem Kaninchenstall begnügen müssen. Das geht natürlich nicht. Ich überlege, ob man nicht ein Preisausschreiben veranstalten sollte für einen attraktiven neuen Namen. Das Einfamilienhaus hat durch die wesentlich kostengünstigeren Einzimmerhäuser oder die aus dem 3-D-Drucker kommenden Wohngelegenheiten auch an Überzeugungskraft verloren. Das muß ganz fetzig daherkommen, am besten auch mit Probewohnen im Bunker und nach einer gewissen Zeit lassen wir die dort lebenden Bunkerinsassen dann wieder heraus und die geben dann Statements ab, wie angenehm es sich im Bunker wohnen läßt und man eigentlich gar nicht mehr von da fort will. Das wäre das Ultimative. Wir müssen auch von dieser vielzitierten ›Bunkermentalität‹ wegkommen, das bringt doch nichts. Frei und frank hinein in den Bunker! — das muß unsere Devise sein. Das Leben beginnt eigentlich erst im Bunker. Denn während rings herum langsam das Leben abstirbt, weil man es nicht rechtzeitig in den Bunker geschafft hat, leben die Bunkerbewohner in Glück und Zufriedenheit. Deshalb würde ich diesen deutschen Politikern auch raten, von dieser Weltuntergangsstimmung abzukommen und das Gerede von der ›Zeitenwende‹ fallen zu lassen. Es sollte als große Lebenschance gesehen werden, als ›Neues Wohnen in aufregenden Zeiten‹ muß es propagiert, Neidgefühle müssen geweckt werden, das wird die Produktionsquote tüchtig ankurbeln helfen. Jedem Bürger seinen Bunker! Was? Was sagst du? Mein Bunker?! Ach, nein, ich brauche doch keinen Bunker. Das wirst du noch nicht wissen, aber ich habe mir neulich ein ausrangiertes, aber volltüchtiges U-Boot angeschafft, ja, aus einer Staatsinsolvenz. Das Boot ist tiptop in Ordnung und ich habe mir einen Flüchtling aus der Ukraine an Land gezogen, der die Jahre zuvor als U-Boot-Kommandant in Kiew stationiert war. Der hat nach dem russischen Überfall gleich in den Westen gemacht, mitsamt der ganzen Familie. Und die ist jetzt bei mir beschäftigt. Seine Frau, eine ganz reizende Person, bedient meine lukullischen Bedürfnisse in der im U-Boot installierten High-Tech-Kitchen. Da ist alles drin, was man in Notzeiten so braucht und auf das man gern zurückgreift. Ich bin nun mal ein Gourmet und man möchte auch in Kriegszeiten nicht unter einen einmal erreichten zivilisatorischen Standard fallen, nicht wahr? Deshalb habe ich auch einen kleinen Weinkeller in das U-Boot einbauen lassen, die Regale sind total kippsicher, da kann es noch so stürmische See geben, die Flaschen halten jeden Stoß aus, es sei denn, aber das wollen wir uns erst gar nicht vorstellen, es sei denn, mpf, ja, es sei denn, das U-Boot wird von einem Torpedo getroffen. Also nein, davon kann ich gar nicht ausgehen, nicht wahr, und davon wollen wir auch nicht ausgehen. Nein, ich habe an Bord selbst keine Torpedos, und das, obwohl ich doch nun schon seit so vielen Jahren im internationalen Waffenhandel zum Wohle aller Nationen dieser Erde tätig bin. Aber in diesem Punkt sind die Regierungen, ob nun demokratisch oder diktatorisch gewählt, doch sehr heikel. (Senkt die Stimme, als ob man, wenn man flüstert, nicht das hört, was jemand am Telefon spricht, wenn das Telefon verwanzt ist) Aber weißt du, ganz im Vertrauen, ich habe Torpedos an Bord. Der Andriy, also mein Kommandant, hat natürlich weiterhin Beziehungen zu seinem Heimatland, und aus Dankbarkeit für die Aufnahme seiner Familie hat er mir diese Torpedos tatsächlich besorgt und selbst installiert. »Andriy«, habe ich zu ihm gesagt, »du würdest wohl selbst als Torpedo dich abschießen lassen, wenn uns ein russisches U-Boot angreifen würde.« Da hättest du dem sein Gesicht sehen sollen. Total ernst hat er geschaut und diese Augen, diese glühenden patriotischen Augen! »Ja«, hat er gesagt, »das würde ich tun, für mein Vaterland, die Ukraine!« Da sieht man wieder einmal, wieviel moralische Substanz noch da ist, vor allem, wenn einem das Wasser bis zum Hals steht. Ich hab’ ihm dann einen Champagner eingeschenkt und ihm versichert, daß dieser Fall niemals eintreten wird und ich mir nur einen Scherz erlaubt habe. Und das nicht nur, weil ich ohne U-Boot-Kommandant ja aufgeschmissen wäre. Man hat doch auch eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die man eingestellt hat. Die Tochter, 14 Jahre alt, die Zlata, ist schon sehr fix und ordentlich bei den Reinigungsarbeiten, die in so einem U-Boot anfallen, da kann ich mich wirklich nicht beklagen, besonders bei diesem Stundenlohn, den ich für sie festgelegt habe. Das Schöne an diesen Leuten ist, daß die noch wissen, was Arbeiten bedeutet und daß die auch nicht im geringsten klagen, keinen Muckser tun die. Also, ich bin schon sehr zufrieden, und wenn er mal eintritt, der Ernstfall, und die russischen Atombomben und Marschflugkörper auf Deutschland herniederfallen, da bin ich gefeit, denn dann tauche ich mitsamt meinem ukrainischen Personal in die Tiefen der Weltmeere ab. Da kann es noch so viele Bomben herunterregnen und die Länder und Städte verwüsten. Ich werde dann in den Tiefen des Meeres beruhigt und stolz sein, etwas für das Überleben der Menschheit in Gestalt meiner Bunkeranlagen getan zu haben, und irgendwann werden die dort wohnenden Menschen ja auch wieder auftauchen und sich dazu entschließen, auf den noch erhaltenen Teilen des zerstörten Planeten die menschliche Zivilisation von neuem wieder aufzubauen.  Ja, war mal wieder nett, mit dir geplaudert zu haben, dann bis bald wieder einmal.

Ich habe den Bau eingerichtet und er scheint wohlgelungen. Das schönste an meinem Bau ist aber seine Stille. Freilich, sie ist trügerisch. Plötzlich einmal kann sie unterbrochen werden und alles ist zu Ende. Vorläufig aber ist sie noch da. Stundenlang kann ich durch meine Gänge schleichen. Alle hundert Meter habe ich die Gänge zu kleinen runden Plätzen erweitert, dort kann ich mich bequem zusammenrollen, mich an mir wärmen und ruhen. Dort schlafe ich den süßen Schlaf des Friedens, des beruhigten Verlangens, des erreichten Zieles des Hausbesitzes. Die häufige Beschäftigung mit Verteidigungsvorbereitungen bringt es mit sich, daß meine Ansichten hinsichtlich der Ausnutzung des Baus für solche Zwecke sich ändern oder entwickeln, in kleinem Rahmen allerdings. Und wenn ein großer Angriff kommen sollte, welcher Grundriß des Eingangs könnte mich retten? Der Eingang kann täuschen, ablenken, den Angreifer quälen, das tut auch dieser zur Not. Aber einem wirklich großen Angriff muß ich gleich mit allen Mitteln des Gesamtbaues und mit allen Kräften des Körpers und der Seele zu begegnen suchen – das ist ja selbstverständlich. Schon dieses, jemanden freiwillig in meinen Bau zu lassen, wäre mir äußerst peinlich. Ich habe ihn für mich, nicht für Besucher gebaut, ich glaube, ich würde ihn nicht einlassen; selbst um den Preis, daß er es mir ermöglicht in den Bau zu kommen, würde ich ihn nicht einlassen. (Franz Kafka: Der Bau, 1924)