I’m waiting for my man
Twenty-six dollars in my hand
Up to Lexington, 125
Feel sick and dirty, more dead than alive
I’m waiting for my man
[…]
Baby don’t you holler, darlin‘ don’t you bawl and shout
I’m feeling good, you know I’m gonna work it on out
I’m feeling good, I’m feeling oh so fine
Until tomorrow, but that’s just some other time
I’m waiting for my man
(The Velvet Underground: I’m Waiting for the Man, 1967)

A: Hi, wie geht’s denn immer so? (dreht sich einen Joint). 

B: Was machen Sie denn da? Ist das etwa eine Haschisch-Zigarette?

A: Klaro! Ab April geht es los, da ist in der Bundesrepublik Cannabis legal.

B: Und Sie bereiten sich jetzt schon auf das große Ereignis vor?

A: Wie Sie sehen, ich bin vorbereitet, mein bisheriger Dealer kommt aus dem Untergrund heraus und richtet im ganzen Land Verkaufsstellen ein. Das wird ein Bombengeschäft.

B: Und Sie sind daran prozentual beteiligt, wie? Das versetzt Sie noch vor dem Konsum einer Haschischzigarette in einen Geldrausch?

A: In gewisser Weise, ja, aber es ist dann ja alles legal und wir können mit gutem Gewissen das Zeug an unsere sicher stetig wachsende Kundschaft verkaufen. Was meinen Sie, wie dankbar manche dieser Konsumenten sein werden. Endlich ist die Zeit vorbei, wo man befürchten mußte, verhaftet und bestraft zu werden für ein so harmloses Stück Alltagsvergnügen.

B: Ich verstehe. Mir liegt es ganz fern, jemanden deswegen zu verurteilen. Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Nur frage ich mich, ob mit der staatlichen Sanktion des Cannabiskonsums nicht auch der Reiz des Verbotenen und damit das eigentliche Erlebnis des Rauchens dahin ist. Könnte es nicht sogar sein, daß gerade das im Verborgenen konsumierte Rauchgut der Anstoß war, damit überhaupt anzufangen?

A: Ach so, ja, das kann schon sein. Im Dunkeln ist gut munkeln. Schade eigentlich, das fällt jetzt natürlich weg und der legalisierte Rausch wird dem Alkoholrausch gleichgesetzt. Man kommt von der Flasche weg, wenn man weiß, daß es nichts Verbotenes ist. Was verboten ist, macht uns grade scharf.

B: Meine Rede. Sehen Sie, so sehr sich homosexuelle Paare gewiß gefreut haben, daß man sie seit dem 10. Juni 1994 nicht mehr gemäß dem Paragraphen 175 strafrechtlich verfolgte und sie in manchen Ländern heute sogar heiraten dürfen, so wird vielleicht doch mancher nach der erfolgten Befreiung bemerkt haben, daß etwas fehlte: der Reiz des Verbotenen. Man wurde eingemeindet und war nun Teil der bürgerlichen Ehegemeinschaft, zusammen mit Millionen von heterosexuellen Paaren, die den Bund fürs Leben geschlossen hatten, in der Annahme, nun beginne das wahre Glück und nicht enden wollendes Wohlbefinden.

A: Und dann stellt sich nach einigen Jahren des Eheglücks, spätestens nach dem verflixten siebten Jahr, das alltägliche Unglück ein, das Zusammenleben wird zur Hölle oder wenigstens zu einer rituellen Wiederholung immergleicher Vorgänge. Da bleibt dann nur noch der rasch verglimmende Seitensprung, um noch einmal in den Genuß der verbotenen Früchte zu kommen.

B: So ist es. Und nun wird mit der Freigabe des Cannabiskonsums der gleiche Effekt einsetzen. Ich für meine Person weiß jetzt schon, daß für mich der Griff zur Haschischzigarette damit ausgeschlossen ist.

A: Das klingt aber sehr übertrieben und ideologisch. Sie scheinen ein prinzipieller Neinsager zu sein, alles, was plötzlich erlaubt ist, lehnen Sie also ab?

B: Nicht unbedingt, aber im Prinzip schon.

A: Hören Sie sich manchmal zu, wenn Sie etwas sagen? Das ist doch ein Grund zum Feiern, wenn ab April 2024 endlich jeder, der die Altersgrenze überschritten hat, zu diesem ja eigentlich auch harmlosen Kraut greifen kann. Denken Sie auch an die positive Wirkung, die kranke Menschen vom Rauchen einer Haschischzigarette haben werden.

B: Jaja, ich weiß schon. Wenn nichts mehr an argumentativer Kraft funktioniert, schieben die Menschen immer die therapeutischen Effekte in den Vordergrund.

A: (zündet die fertig gedrehte Tüte an und nimmt den ersten Zug) Aahh! Far out, man!

B: Was sagen Sie?

A: Wenn etwas cool war, sagte man in den sechziger Jahren in San Francisco in den ersten Marihuana-Kommunen: Far out! Auf deutsch: Das ist toll!

B: Dann lasse ich Sie jetzt mal allein mit ihrem staatlich genehmigten Trip ins Nirwana. Peace, man!