Day by day, night by night / I ain’t gonna mind that warnin′ light / I’m findin′ out, it’s too late to turn / Got nothing to lose, and money to burn / Oh, money to burn / […] / Red light night / In your cheap sleazy blue suit / Tell me everything I wanna hear / Anything but the truth / […] / Day by day, night by night / I ain’t gonna mind that warnin′ light / I’m findin‘ out, it′s too late to turn / Got nothing to lose / Oh! And money to burn / I got money to burn (Samantha Fish. Runaway, CD (2011), Track 4: Money To Burn)
Egon Mushroom: Kommen Sie doch ’rauf auf die Bühne, damit ich Ihnen den Scheck überreichen kann! (Die Menge tobt. Eine Frau mittleren Alters steigt auf das Wahlkampfpodium und strahlt über das ganze Gesicht.)
Mrs. Middle America: (Hält ihre Hände vor ihr Gesicht.) Danke, Danke, Danke! (Nimmt den auf Pappe aufgezogenen Scheck entgegen.)
Egon Mushroom: Wollen Sie nicht etwas sagen?
Mrs. Middle America: Oh ja, natürlich! Danke, Danke, Danke! Ich glaube an alles, was Sie tun. Sie benutzen Ihren Reichtum, um die Redefreiheit zu schützen. Gott schütze Sie! Ich habe Sie schon immer bewundert. Für freie Rede und das Recht, Waffen zu tragen! Danke für den Scheck! (Geht mit dem symbolischen Scheck über eine Million Dollar unter dem Arm von der Bühne ab.)
Egon Mushroom: Ich darf den Leuten im Publikum mal kurz erklären, wie das jetzt bis zum Wahltag am 5. November gehen wird. Sie müssen sich mit Namen und Adresse registrieren lassen, um meine Eingabe zum Erhalt der amerikanischen Verfassung zu unterstützen. Und jeden Tag wird durch eine Lotterie ein Gewinner von einer Million Dollar ermittelt werden. (Aufbrandender Beifall aus der vollbesetzten Halle, wo die Teilnehmer dicht an dicht nebeneinandersitzen.)
Egon Mushroom (strahlt): Sie glauben gar nicht, wie wohl mir das tut, diese Energie, die Sie hier zu mir herauf schicken, es entzündet ein Feuer in meiner Seele!
Die Menge (ruft im Chor): Mushroom! Mushroom! Mushroom! Mushroom! Mushroom!
Egon Mushroom: Danke, danke! Sie sind sehr freundlich. Ähem, ich möchte Sie hier nur darauf hinweisen, daß Sie hier im Staate Pennsylvania nur noch bis Mitternacht Zeit haben, sich registrieren zu lassen. Also: Registrieren! Registrieren! Registrieren! Denn vergessen Sie nicht: Präsident Dump ist der einzige, der die Demokratie retten kann. So! Wissen Sie, wenn man die Leute fragen würde, was wohl die inspirierendste Sache gewesen ist, die Menschen jemals getan haben, dann würden sie sagen: daß wir auf den Mond geflogen sind. Und wir werden bald auf dem Mars sein! Es wird eine Stadt auf dem Mars geben! Viele Städte!
Die Menge (unisono): Wir lieben dich Egon! Wir lieben dich Egon! Wir lieben dich!
Egon Mushroom: Thank you, thank you so much! Vergeßt nicht, euch alle registrieren zu lassen, denn wenn Präsident Dump nicht wieder Präsident wird, bedeutet das das Ende der Demokratie in Amerika. Und das wollen wir doch wohl alle nicht? Man hat mich immer wieder gefragt, warum ich nicht selbst für diesen Job kandidiere. Zunächst einmal geht das schon aus formalen Gründen nicht, denn ich bin nicht in den USA geboren, und die Verfassung verbietet die Kandidatur eines Ausländers. Doch das macht mir gar nichts, ich hasse Politik. Ich mag es viel lieber, Dinge aufzubauen und vor allem Dinge produzieren zu lassen, die die Leute lieben.
Frau Pannemeyer (schaltet mit einer Fernbedienung den laufenden Fernsehapparat ab): Greulich, dieser Kerl! Mir wird ganz schlecht von diesem Gefasel. Aber Sie (wendet sich zu dem neben ihr sitzenden Prof. Friedrich Lensing) wollten sich diese Veranstaltung ja einmal zu Gemüte führen. Na, also ich bin bedient. Diese Amerikaner sind doch Idioten, die man für Geld zu allem bewegen kann. Die schnappen nach dem geheiligten Dollar ebenso wie unser Lumpi nach der Knackwurst, wenn man ihm eine hinhält.
Prof. Friedrich Lensing: Sie haben schon Recht, liebe Frau Pannemeyer, das ist die Neue Welt, das ist Amerika. Das Zahlungsmittel, der Dollar, ist das große Symbol dieses großen Landes. Alles wird ausgedrückt durch diesen Seelengeneralnenner und Lebensgradmesser. Vergessen Sie auch nicht, daß in Amerika die politischen Wahlkämpfe stets erst einmal Kämpfe um das Geld sind, die Zahlen sprechen für sich, es sind inzwischen dreistellige Millionenbeträge, die die beiden dort existierenden Parteien einwerben. Damit machen sie sich natürlich abhängig von den Geldgebern, die ihr schönes Geld ja nicht aus edelmütigen Motiven hergeben, im Gegenteil, sie wollen einen Gegenwert dafür haben. Wer das meiste Geld sammelt, hat die meiste Werbezeit im Fernsehen und im Internet. Er ist dann der Dollarkönig.
Frau Pannemeyer: Und das alles für diesen widerlichen Kerl, diesen Dagobert Dump, der so viel auf dem Kerbholz hat, daß er eigentlich für den Rest seines Lebens im Kittchen sitzen müßte. Selbst der größte Teil seines Geldvermögens gehört eigentlich gar nicht ihm, es beruht alles auf gefälschten Konten und anderen Schwindeleien. Und so ein Individuum, so ein Verbrecher war für vier Jahre Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Also, als er unlängst beinahe von einem Attentäter ermordet worden wäre, da habe ich ganz im Stillen das schon ein bißchen bedauert, daß der Schütze aus dem Hinterhalt nicht richtig getroffen hat. Denn das habe ich aus meiner Schulzeit denn doch fürs Leben mitgenommen: Der Tyrannenmord ist gerechtfertigt. (Fällt in den Zitiermodus): »Zu Dionys, dem Tyrannen, / schlich Damon, den Dolch im Gewande: / Ihn schlugen die Häscher in Bande, / ›Was wolltest du mit dem Dolche? sprich!‹ / Entgegnet ihm finster der Wüterich. / »Die Stadt vom Tyrannen befreien!‹ Das ist von Schiller, Friedrich Schiller. Ein deutscher Klassiker.
Biggi Pannemeyer (Tochter von Frau Pannemeyer und Ärztin im Allgemeinen Krankenhaus Celle, die übers Wochenende zu Besuch bei ihrer Mutter in Hannover ist): Ach Mutter, nun laß’ mal gut sein. Das hilft uns auch nicht weiter, wenn sich die Menschen gegenseitig aus dem Wege räumen, nur weil dem einen die Nase des anderen nicht paßt.
Frau Pannemeyer: Nase? Welche Nase? Dieser Dump ist doch von oben bis unten und von außen nach innen durch und durch verkommen! Ein richtiger Schweinehund. Es ist mir unbegreiflich, wie es tatsächlich Menschen geben kann, die einer solchen verabscheuungswürdigen Person eine Stimme geben können! Und dieser Mushroom ist auch nicht besser, ich will nicht wissen, wie der sich sein vieles Geld zusammengegaunert hat.
Biggi Pannemeyer: Das Vermögen dieses Egon Mushroom wird im ›Bloomberg Billionaires Index‹ auf 270 Milliarden Dollar geschätzt. Stell’ dir das mal vor! Das ist die tägliche Million, die er an die Wählermasse verschenkt, das ist ein Klacks für den. Das merkt der ja gar nicht, daß es weniger wird. Und ein richtiges Geschenk ist es ja auch eigentlich nicht, denn er erwartet sich davon ja die Wahl dieses Dumps und damit eine künftige Absicherung und Weiterentwicklung seiner Firmengeschäfte.
Prof. Friedrich Lensing: Diese eine Million ist ja doch sehr relativ. Für normale Leute mag das viel Geld sein und in ihrem Glücksrausch werden sie das Geld sicher bald durchgebracht haben, aber ein Vertreter der 400 reichsten New Yorker hat 1888 gesagt: »Ein Vermögen von einer Million ist nur respektable Armut.« Das bringt mich auf das Thema, weshalb diese sehr reichen Leute sich nicht einfach damit begnügen, ihren unglaublichen Reichtum zu genießen und sich auf die faule Haut zu legen, so wie ich das machen würde, wenn ich keine Geldsorgen mehr hätte und mich ganz meinen Studien widmen könnte. Die Reichen brauchen Aufmerksamkeit und Macht, und die erhalten sie nur, wenn sie in der Öffentlichkeit untereinander konkurrieren. Vor über zwanzig Jahren habe ich einmal dazu ein sehr interessantes Buch gelesen, es stammt von Richard Conniff und heißt ›Magnaten und Primaten. Über das Imponiergehabe der Reichen‹ (2002). Der Autor benutzt dazu den Zoomorphismus, das ist die Methode, Menschen so zu betrachten, als wären sie Tiere. Warum gibt es so viele Multimillionäre, die sich eigene Flugschiffe, ja sogar richtige Raketen zugelegt und sich in diese gefährlichen Vehikel begeben haben? Doch nur, um den anderen Millionären und Milliardären zu beweisen, daß sie besser sind als die anderen dieser kleinen Gemeinschaft. Dieser Richard Branson hat sogar eine Fluggesellschaft gegründet, nur um zu demonstrieren, daß er weit mehr als ein bloßer Angeber ist, obwohl er genau das ist.
Biggi Pannemeyer: Haben Sie gehört, was dieser Mr. Mushroom am Ende seiner Rede gesagt hat. Moment, ich bekomme es noch ungefähr zusammen. Er hat gesagt, daß er Politik haßt und daß er es viel lieber mag, Dinge aufzubauen, vor allem Dinge produzieren zu lassen, die die Leute lieben. Ich finde das schon bemerkenswert, denn damit hat er seinen Geschäftspartner, diesen Mr. Dump, doch auf den zweiten Platz verwiesen und deutlich gemacht, wer wen dominiert. Dump ist sein Produkt und er setzt einen wenn auch sehr geringen Teil seines riesigen Geldvermögens dafür ein, daß dieser Dump als politische Person zum amerikanischen Präsidenten gewählt wird. Er ist seine Handpuppe.
Prof. Friedrich Lensing: Das haben Sie sehr gut gesehen, liebe Biggi, sie sind nicht nur eine gute Ärztin, der man vertrauen kann, sondern haben auch einen scharfen politischen Verstand.
Frau Pannemeyer: Ja, unsere Biggi war schon als kleines Mädchen ganz schön helle, nicht wahr, meine kleine Biggi?
Biggi Pannemeyer: Mutter! Aufhören! Genug? Du kannst doch in Gegenwart unseres gelehrten Gastes mich nicht so in Verlegenheit bringen.
Prof. Friedrich Lensing: Grämen Sie sich nicht, liebe Biggi, und machen Sie sich nichts draus, liebe Frau Pannemeyer, das ist eben so in Familien, entweder streitet man sich oder man ist, wie in ihrem Fall, die reinste Harmonie. Das ist doch eigentlich wunderschön.
Frau Pannemeyer: Wie recht Sie wieder einmal haben, lieber Herr Professor. Aber was soll nur aus der Welt und der Weltpolitik werden, wenn solche Ganoven mit ihrem vielen Geld und ihren primitiven Lockmitteln womöglich am Ende noch die Wahl gewinnen, weil der durchschnittliche Amerikaner nicht besonders schlau ist und auf jeden billigen Trick reinfällt?
Prof. Friedrich Lensing: Es läuft ja doch alles letztlich zusammen in der gewaltigen Maschinerie, die nicht nur in Amerika herrscht. Alles wird zur Maschine, und damit auch die Menschen, die mechanisch auf Reize reagieren und hilflos nach irgendetwas greifen, das ihnen als Lösung angeboten wird. Ihnen wird ein Theater vorgespielt vom weltgewandten Staatsmann, vom internationalen Bankherrn, vom vorurteilslosen Großindustriellen, von den vielen Schreiberseelen, die ihnen zugunsten Meinung produzieren, und alles im Dienste des Erfolgs und der Macht. Wir kommen nicht los von der Maschinerie, denn sie ist das unbewußte Ziel des abendländischen Menschen. wir sind abhängig von kurzsichtigen Tagespolitikern, die nur bewegt werden von den Machtbedürfnissen der Gruppen und von solchen Unterstellungen, die jeweils für ihre Gruppe, ihre Partei die angemessensten sind. Alles wird zusammengehalten durch den Selbsterhaltungswillen einer Menschheit, die ihr Leben auf Selbsttäuschung aufgebaut hat, die nicht sehen will. So entsteht der Größenwahn und ihm entsprechen zufällige Sprecher dieses Größenwahns, die allen Ernstes Städte auf dem Mars bauen wollen. Haben Sie gehört, wie auf der Propaganda-Veranstaltung, die wir gerade im Fernsehen erlebt haben, ein Mann aus der Menge rief: »Go to the sun!«. Erinnert das nicht an den alten Mythos von Ikarus, der, übermütig geworden, immer höher flog, der Sonne entgegen, und die Sonne die mit Wachs zusammengehaltenen Flügel schmelzen ließ und er ins Meer stürzte? Das ist der Fluch der Maschine, unter die wir uns alle gebeugt haben und glauben, sie allein löse alle menschheitlichen Probleme. Wirft ein Staat auf dem Gebiet des Nachbarn Bomben ab und schießt mit Raketen, dann meint der Nachbarstaat, die richtige Antwort besteht darin, das dann auch zu tun. Irgendwann, nach vielen Toten und einer verwüsteten Landschaft, endet dieser Krieg dann, aber es gibt keinen Sieger, sondern nur Verlierer.
Frau Pannemeyer: Ach, lieber Professor Lensing, Sie haben ja in allem recht, aber die Wahrheit ist doch sehr schmerzlich anzuhören. Ich hole uns jetzt aus der Küche einen selbstgebrannten Zwetschgenschnaps, der soll uns auf fröhlichere Gedanken bringen.