Im Jahr 1683 erschienen die ›Dialogues des morts‹, Autor war Bernard le Bouvier de Fontenelle (1657–1757). In diesen fiktiven Gesprächen wurden Personen der Geschichte zusammengebracht, die sich während ihres Lebens niemals begegnet waren. Es gab neben Fontenelle eine ganze Reihe anderer Autoren, die dieses Konversationsspiel pflegten, so Boileau, Fénelon, Voltaire, Henry Fielding und Christoph Martin Wieland (›Gespräche im Elysium‹, 1780). Aller Vorbild war aber Lukian (um 120 v.u.Z – um 180 n.u.Z.), der neben ›Göttergesprächen‹, ›Hetärengesprächen‹, ›Meergöttergesprächen‹ auch ›Totengespräche‹ verfaßte. Hier wird diese lange Tradition fortgeführt.

Groucho Marx meets Erich und Mathilde Ludendorff

In dem mit Zehntausend überfüllten Riesensaal steht auf der Rednertribüne ein gepflegter, strammer Herr. Das starre Willensgesicht etwas gedunsen. Schlohweiß das Haar. Am schwarzen Zivilrock trägt er er nur das Eiserne Kreuz. Er spricht schwerfällig, monoton, einfältig. Dieser ungeistigste Mensch, der über gar nichts in der Welt wirklich klar ist, hat doch in seiner Enge einen Hang zum Geist, fast möchte ich sagen: ›Angst vor dem Geist‹. Er wurde hörig, als der Geist ihm entgegentrat in der Gestalt einer wirklich bedeutenden Frau. Alles, was er seitdem orakelte, über Rückkehr zu Wodan, volkstümlichen Mythos und deutsche Sendung, das hieß: ›Mathilde v. Kemnitz‹. (Theodor Lessing, 1931)

Groucho Marx: Ojemine! Wer sind denn die beiden? (schaut auf ein älteres Ehepaar, das auf einer Holzbank in einem Biergarten sitzt). Mit denen soll ich mich unterhalten? Was hat mein Agent sich nur dabei gedacht? (tritt näher) Guten Tag, meine Herrschaften! Schönes Wetter heute?

Erich Ludendorff: Guten Tag, mein Herr, mit wem haben wir das Vergnügen?

Groucho Marx: Mein Name ist Groucho Marx und ich bin Komiker.

Mathilde Ludendorff: Nur das nicht! Wir sind hier in der Unterwelt, da ist kein Platz für Komik. Groucho? Was ist das für ein Vorname? Habe ich noch nie gehört. Und Marx? Wie in Karl Marx, dem Juden? Sind Sie Jude?

Erich Ludendorff: Na, Mathilde, nun sei man nicht so. Er scheint doch ein ganz verträglicher Knabe zu sein. Angezogen ist er jedenfalls wie ein feinerer Herr. Sind Sie auf dem Weg zu einem Opernball?

Groucho Marx: Sehr freundlich von Ihnen, aber das ist meine Berufskleidung. Und wie darf ich Sie anreden?

Erich Ludendorff: Ich bin General Erich Ludendorff. Ich war Erster Generalquartiermeister im Ersten Weltkrieg. 1920 und 1923 habe ich zusammen mit anderen Gesinnungsfreunden einen Putsch zum Sturz der ›Weimarer Republik‹ unternommen. Später habe ich mit meiner Frau Mathilde eine politische Zeitschrift herausgeben und mit ihr Bücher geschrieben. Wir waren die politischen Führungspersonen des von mir gegründeten ›Tannenbergbundes‹ und dessen Zeitschrift, der ›Volkswarte‹.

Groucho Marx: Ja, sowas! Da sind sie ja eine Berühmtheit! Was für eine Ehre, ihre Bekanntschaft machen zu dürfen.

Erich Ludendorff: Und welche Art von Berühmtheit haben Sie?

Groucho Marx: Wenn Sie schon einmal in einem Lichtspieltheater gewesen sind, haben Sie vielleicht einen meiner Filme gesehen, die ich zusammen mit meinen Brüdern gemacht habe.

Mathilde Ludendorff: Wir haben immer nur das Theater und die Oper besucht. Das kinematographische Theater bleibt dem Plebs vorbehalten.

Erich Ludendorff: Na, Mathilde, nun ereifere dich mal nicht so. Bedenke doch, daß ich während des Krieges maßgeblich dafür verantwortlich war, den Film als Propagandamittel, als weitere Kriegswaffe zum Einsatz zu bringen.

Groucho Marx: Ich habe mich in meinen Filmen eigentlich über alles lustig gemacht, vor meinem Humor war nichts sicher.

Erich Ludendorff: Humor hat man mir schon als junger Kadett auf der Militärschule nicht nachsagen können und deshalb wollen wir es jetzt, nach meinem Tode, auch nicht dazu kommen lassen.

Mathilde Ludendorff: Wir sind beide führende Persönlichkeiten der völkischen Bewegung. Da hat man keinen Humor zu haben. Das führt in der Politik auch zu nichts. Sie sind ein Hofnarr, nehme ich an, und können sich solche Abweichungen erlauben. Wir haben ernstere Ziele verfolgt.

Groucho Marx: Den Totalen Krieg, nehme ich an?

Erich Ludendorff: ›Der totale Krieg‹ ist in der Tat der Titel meines 1935 erschienenen Buches. Alle meine Gedanken kreisen um den Krieg. 1919 habe ich ›Meine Kriegserinnerungen‹ herausgeben, 1922 folgte ›Kriegführung und Politik‹, 1928 ›Kriegshetze und Völkermorden in den letzten 150 Jahren‹, 1930 ›Weltkrieg droht auf deutschem Boden‹, nicht zu reden von kleineren Schriften und dem, was ich in Periodika veröffentlicht habe. Mit meiner Frau habe ich weitere Bücher geschrieben, vor allem aber mit ihr die politische Zeitschrift ›Ludendorff’s Volkswarte‹ geschrieben, die 1929 begründet wurde und 1933 von diesem unseligen Hitler verboten wurde. Wir haben sie dann unter einem neuen Titel, ›Am Heiligen Quell Deutscher Kraft‹ erscheinen lassen. Es war ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem NS-Regime.

Groucho Marx: Meine Lebenserinnerungen sind 1959 unter dem Titel ›Groucho und ich‹ erschienen, dann folgte 1965 noch ein weiterer Band, der heißt: ›Memoiren eines spitzen Lumpen‹.

Mathilde Ludendorff: Sie sind Jude, richtig?

Groucho Marx: Ich möchte keinem Verein angehören, der mich als Mitglied aufnimmt.

Erich Ludendorff: Der junge Herr macht Witze. Die Art, wie er antwortet, weist auf jüdischen Humor hin.

Groucho Marx: Ich gebe mich geschlagen.

Mathilde Ludendorff: Mein Mann und ich haben unser ganzes Leben dem Kampf gegen das Weltjudentum, das römisch-katholische Christentum und die internationale Freimaurerei gewidmet. Die überstaatlichen Kräfte, Sie verstehen?

Erich Ludendorff: Das wird Sie als Jude sicherlich nicht interessieren, Sie feiern ja nicht Weihnachten, aber wir haben gemeinsam unter vielen anderen auch eine kleinere Schrift verfaßt, die den Titel ›Weihnachten im Lichte der Rasseerkenntnis‹ trägt. Das ist 1933 zuerst erschienen. Ich zitiere aus meinem Vorwort »Das Rasseerwachen infolge der Todesnot des Volkes im Weltkriege und nach ihm hat sich in dem Gotterkennen, das meine Frau uns schenkte, zur letzten Klarheit durchgerungen. Das Gottahnen unserer Vorfahren hat Erfüllung gefunden. Eng verwoben lebt unser Geschlecht jetzt wieder mit den Ahnen.«

Mathilde Ludendorff: Das Weihnachtsfest ist nämlich urdeutsch und nicht christlich. Das Christentum ist eine jüdische Erfindung. Meine ›Deutsche Gotterkenntnis‹ sollte dem entgegentreten.

Groucho Marx: Wow, das wußte ich nicht. Da dreht sich die Weltkugel plötzlich ganz anders herum.

Erich Ludendorff: Nicht wahr, das müssen selbst Sie zugeben. Und bis 1933 haben wir in ›Ludendorff’s Volkswarte‹ auch immer wieder gedrängt, schärfer gegen die Juden vorzugehen.

Groucho Marx: Wenn ich richtig informiert bin, sind Sie 1937 gestorben, da haben Sie die später getroffenen Maßnahmen des neuen Regimes gar nicht mitbekommen.

Erich Ludendorff: Ja, das habe ich erst im Totenreich erfahren müssen, wie Hitler und seine Schergen vorgegangen sind. Alle meine Reden gegen die Juden haben doch immer nur die eine Richtung gehabt: Weist sie aus deutschen Landen aus! Aber diese Konzentrations- und Vernichtungslager, daran habe ich nie gedacht, das war monströs. Ich habe auch vor einem weiteren Weltkrieg, dem totalen Krieg, gewarnt. Und der ist dann 1939 auch eingetreten, ich hatte ihn immerhin für das Jahr 1941 vorhergesagt.

Mathilde Ludendorff: Mein Mann hat gleich nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler an Hindenburg geschrieben: »Sie haben durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzer einem der größten Demagogen aller Zeiten unser heiliges deutsches Vaterland ausgeliefert. Ich prophezeie Ihnen feierlich, daß dieser unselige Mann unser Reich in den Abgrund stoßen, unsere Nation in unfaßliches Elend bringen wird, und kommende Geschlechter werden Sie verfluchen in Ihrem Grabe, daß Sie das getan haben.«

Erich Ludendorff: Ja, Mathilde, das habe ich zwar so schon gedacht, aber dieser Brief ist nie geschrieben worden. Dieser Hans Frank, der sich ›König von Polen‹ hat nennen lassen, hat in seinen Erinnerungen ›Im Angesicht des Galgens‹ diese Sätze angeführt und mir in den Mund gelegt. Sachlich stimmt das aber und ähnlich lautende Sätze habe ich damals mehrfach ausgesprochen.

Groucho Marx: Haben Sie denn vor 1933 irgendwann einmal den Sprung in die große Politik gewagt?

Erich Ludendorff: Ja, durchaus, das war während der Kandidatur für das Amt des Reichspräsidenten, 1925.

Groucho Marx: Und wieviel Prozent der Stimmen haben Sie erhalten?

Erich Ludendorff (errötend): 1% der Stimmen.

Groucho Marx: Ich habe auf Drängen meiner Freunde einmal auf das Amt des Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika kandidiert. Meine Gönner meinten, das wäre genau der richtige Job für mich, weil Vizepräsidenten grundsätzlich die Klappe halten müssen und ich ja gern schwafele. Während des Wahlkampfs habe ich dann eine Äußerung eines ehemaligen Vizepräsidenten aufgegriffen, der gemeint hatte, was das Land wirklich brauche, das sei eine gute 5-Cent-Zigarre, und ich habe das dann umformuliert in den Slogan: Was das Land wirklich braucht, ist eine gute 5-Cent-Münze. Weitere Forderungen waren die Einführung eines guten Schinkensandwich. Ohne alles. Denn diese Kleinkrämerdrogisten haben das gute alte Schinkensandwich verhunzt durch Zutaten wie Tomaten, Speck oder Brokkoli. So weit war es in unserem Land gekommen. Eine weitere Forderung war die nach unbegrenzter Polygamie. Denn seien wir ehrlich, der schöne Brauch der Vielweiberei verschwindet allmählich selbst in den Ländern, wo das seit langem eine alte Tradition war.

Mathilde Ludendorff: Ja, schämen Sie sich denn nicht? Was reden Sie denn da? Die Ehe ist eine von Gott gewollte und durch Gott geheiligte Einrichtung. Wir haben doch damals in der sogenannten ›Weimarer Republik‹ erleben müssen, wie die zügellosen Kreise der Boheme unser schönes Deutschland in den Schmutz gezogen haben, natürlich unter kräftiger Mitwirkung des internationalem Judentums und der katholischen Mafia.

Groucho Marx: Ich bin bloß ein unbedeutender Vaudeville-Schauspieler. Machen Sie mich nicht haftbar für Dinge, auf die ich keinen Einfluß gehabt habe. Ihre Ansicht vom allgegenwärtigen Schmutz teile ich aber nicht. Jede durchschnittliche Ehefrau sehnt sich doch nach vielen Ehejahren nach etwas Jüngerem und Frischerem als ihrem Gatten. Jemand ohne Bauch und mit Haaren (nimmt Erich Ludendorff dabei ins Visier), und zwar nicht auf dem Bauch, sondern auf dem Kopf.

Erich Ludendorff:  Wissen Sie, ich hatte einmal einen Zusammenstoß mit einem gewissen Subjekt namens Karl Tschuppik, der hat ein Buch über mich veröffentlicht, das hieß: ›Ludendorff. Die Tragödie des Fachmanns‹, das ist 1931 erschienen und das hatte ich gerade angewidert gelesen, da traf ich diesen Herrn zufällig auf der Straße und da habe ich ihm gedroht, meinen Schäferhund auf ihn zu hetzen. Da hat er Fersengeld gegeben. Und das werde ich Ihnen nun auch androhen, wenn Sie nicht unverzüglich das Weite suchen.

Groucho Marx: Du meine Güte, an wen bin ich denn hier geraten?

Mathilde Ludendorff: Mein Mann hat schon kurz vor dem Zusammenbruch der militärischen Front vor dem Dolchstoß in den Rücken der deutschen Nation gewarnt. Und so ist es dann ja auch gekommen. Niemals hätten wir den Krieg verloren, wenn nicht der innere Feind mit seiner politischen Wühlarbeit unseren Zusammenhalt geschwächt und uns damit dem äußeren Feind wehrlos ausgeliefert hätte.

Erich Ludendorff: Das war wie in der Nibelungensage, als Hagen von Tronje dem deutschen Helden Siegfried den Speer in die verwundbare Stelle auf dem Rücken gestoßen hat. Auch solche Strolche wie Sie haben mit dazu beigetragen, daß Deutschland ohnmächtig vor der Macht des Feindes gefallen ist. Ich mußte 1918 nach Schweden fliehen und war gezwungen zur Tarnung eine blaugetönte Sonnenbrille zu tragen. Aber als ich 1926 Mathilde von Kemnitz geheiratet habe, da fand Siegfried seine Kriemhild.

Groucho Marx: Seien Sie mir nicht bös, aber übertreiben Sie nicht mehr als nur ein wenig? Ihr zwei beide seid das, was man in Amerika einen ›fruitcake‹ nennt, ihr seid zwei große Spinner.

Mathilde Ludendorff: Scheren Sie sich zum Teufel, Sie gehören überhaupt nicht hierher, das Elysium, die Insel der Seligen ist nur wirklich ehrbaren Mitgliedern der Menschheit vorbehalten. Ich weiß gar nicht, wie Sie hier hereingekommen sind. Ich werde höheren Orts Meldung machen und für Ihre Entfernung plädieren. 1949 hat man mich vor eine sogenannte ›Spruchkammer‹ geladen, um herauszufinden, ob ich das Nazi-Regime gefördert habe. Man stelle sich vor! Und ein österreichischer Jude namens Alfred Polgar schmutzte über mich: »Die Angeklagte ist zweiundsiebzig, entsprechend grau, bebrillt. Vortrag und Tonfall sind die einer Kartenaufschlägerin. Einer Wahrsagerin vom Rummelplatz«. Solche Schweinehunde haben nach 1945 meinen untadeligen Ruf als deutsche Gotteserkennerin zu besudeln versucht! Zuerst wurde ich als ›Hauptschuldige‹ verurteilt, in einem Revisionsverfahren dann als ›Belastete‹ eingestuft. Ja, ich mußte mich sogar einer psychiatrischen Untersuchung unterziehen, ich, die ich ursprünglich als Nervenärztin praktiziert habe! Diese ›Untersuchung‹ ergab, daß ich nicht krank bin und daß meine Schriften »ein normales System der Propaganda« gewesen seien. Solchen Demütigungen wurde ich ausgesetzt durch das neu installierte demokratische Regime bis zu meinen Tod im Jahre 1966, dem Jahr, als ein Gericht das Verbot meines ›Bundes für Gotteserkenntnis‹ bestätigte. Dahinter steckte natürlich das überall sich einmischende internationale Juden- und Katholikentum. Aber 1977 hob man das Verbot auf, darüber konnte ich mich dann nur noch posthum freuen.

Groucho Marx: Ich habe mich nicht um ein Gespräch mit euch Verrückten beworben, das war die Idee meines Agenten. Wenn ich gewußt hätte, was mich hier erwartet, wäre ich ganz bestimmt nicht gekommen. Zu euch Ludendorffern fällt selbst einem Komiker nichts mehr ein (steht auf und eilt mit schnellen Schritten dem Ausgang zu).

 Mathilde Ludendorff: Wir sehen uns in der Hölle!