Rüdiger Gropengießer, Leiter der Freiwilligen Feuerwehr, steht am Rande eines heruntergebrannten Scheiterhaufens, der aus Anlaß des alljährlichen Osterfeuers aufgeschichtet wurde. Er hält einen langen Wasserschlauch in der Hand, aus dem noch ein letzter Strahl hervorschießt.
Ja, das war für dieses Jahr wieder ein schönes Feuer. Es hat schon anständig gebrannt, und damit daraus kein Flächenbrand wird, stehen wir als Freiwillige Feuerwehr jedes Jahr Gewehr bei Fuß. Nach diesen schweren letzten Jahren, wo durch dieses Rona, dieses Verona-Virus alles brachlag und wir tatenlos im Spritzenhaus auf der Lauer gelegen waren, und hofften, daß die Stadtverwaltung doch noch ein Einsehen haben könnte wegen des Osterfeuers, das eine lange Tradition hat und von der Bevölkerung immer gern angenommen worden ist, konnten wir diese Ostern endlich wieder ausfahren und dabei helfen, die mitgebrachten Holzscheite und anderes Geäst aufzuschichten. Wir sind ja die Experten in solchen Dingen, da kann uns keiner was vormachen, wenns ums Zündeln und fachgerechte Löschen geht, da sind wir an erster Stelle dabei, da sind wir Spitze. Und das lassen wir uns auch von niemanden nehmen, schon gar nicht von diesen Feinstaubfanatiker, die sich jetzt immer mehr hervortun und ja auch schon unser Silvester abschaffen wollen, weil die explodierenden Knallkörper angeblich so viel feinen Staub in der Atmosphäre verteilen, daß man in der Folge mit schweren Erkrankungen zu rechnen habe. Also daß manche, die schwach auf der Brust sind, nach Luft schnappen müssen, und solche Sachen. Hören Sie mir doch auf, das geht doch zu weit, nicht wahr? Für wie lange hat es denn schon Feuerwehrkörper … Feuerwerkskörper gegeben, und es ist nie jemand daran gestorben, und wenn doch, dann muß der doch vorher schon was gehabt haben. Und wen so eine Rakete praktisch direkt getroffen hat, also es geradezu ein Volltreffer war, aber ohne jede Absicht, ja, der hat halt sich am falschen Ort aufgehalten, nicht wahr, der hätte eben gleich zuhause bleiben sollen, statt auf einem öffentlichen Platz der Rakete praktisch im Weg zu stehen. Aber da reißen sie dann das Maul auf und schreien Verbot, wo sie doch selber schuld sind und bei raketengerechten Verhalten das auch hätten von sich aus verhindern können. Ja, dann erst zu Ostern. Diese Tierschützer sind uns auf die Pelle gerückt und haben Eingaben gemacht bei der Stadtverwaltung, von wegen des Kleingetiers, das sich angeblich unter dem aufgeschichteten Brennholz versteckt hat und dann, wenn wir mithilfe eines Gasbrenners den bis zu vier Meter hohen Berg von trockenem Geäst im Nu in Flammen setzen, darunter bei lebendigem Leibe verbrennen. Also wirklich, jetzt müssen wir also diese Auflagen erfüllen und die Hölzer kurz vor dem Inbrandsetzen immer wieder umschichten, damit auch noch die letzte Feldmaus Reißaus nehmen kann und sie nicht zum Bratgut wird. Ja, sollen wir denn noch die letzte Feuerameise, die zufällig am Boden herumkrabbelt, auf einem Silbertablett wieder in den Wald befördern? Da hört sich doch alles auf. Da wird doch der Tierschutz menschenfeindlich. Als 1986 der hiesige SPD-Ortsverein mit dieser schönen Tradition des Osterfeuers anfing, weil man meinte, damit die etwas apathischen Parteimitglieder, aber auch die übrige Bevölkerung wieder an die Politik heranzuführen, da waren wir als Freiwillige Feuerwehr sogleich Feuer und Flamme und haben uns sofort in den Dienst dieser guten Sache gestellt. Aber ob sie es glauben oder nicht, da kamen doch gleich Beschwerden über den Rauch, der durch das Osterfeuer sich in der ganzen Stadt verbreitete. Dieser kleinen Minderheit hat dann aber die Stadtverwaltung durch ein behördliches Schreiben gleich einen Riegel vorgeschoben. Das Osterfeuer sei eine »der Gemeinschaftspflege dienende Veranstaltung«, bei der die Bürgerinnen und Bürger der Geselligkeit nachkommen könnten. Und das hat uns als Freiwillige Feuerwehr doch sehr befriedigt. Ja, freilich, da fließt der Alkohol. Und nicht zu knapp. Aber wie sonst soll denn auch eine Stimmung aufkommen. Das Bier führt die Menschen zusammen. Und wer dann ein wenig über die Stränge schlägt, der wird dann halt vom Sanitäterwagen abgeholt und in der Notaufnahme bestens versorgt. Ich sage immer: Leben und leben lassen, nicht wahr? Es soll ja eine Freude aufkommen, und das geht halt nicht ganz von allein, da braucht es schon gewisser Stimulantien. Die Einnahme von Alkohol garantiert immer noch am besten das Entstehen von Geselligkeit. Mir kann doch keiner erzählen, daß das Osterfeuer nicht der schönste Osterspaß ist. Flamme empor! hat man in früheren Zeiten dazu gesagt, aber Hakenkreuze haben heute bei unseren Osterfeuern nichts mehr zu suchen. Wir sind da ganz zivil und unpolitisch. Wir freuen uns einfach am Feuer, deshalb bin ich auch schon in jungen Jahren zur Freiwilligen Feuerwehr gegangen. Wir leisten Dienst am Bürger. Wir verstehen auch Spaß. So haben die Kollegen von der Feuerwehr Dormagen ein Plakat vertrieben, auf dem ein Feuerwehrmann neben einem lodernden Feuer steht und als Überschrift ist zu lesen: »Geh mit uns durchs Feuer!« Das zieht, was? Das ist aber noch nicht alles. Es heißt dann weiter: »Wir haben die dicksten Hupen… die längsten Schläuche… und wollen mehr als nur ein kurzes Abenteuer! Ruf uns an! Schreib uns!« Also Humor haben sie, das muß man ihnen lassen. Und auch für schwer Kontaktgeschädigte bietet diese Feuerwehr Möglichkeiten, die man außerhalb der Feuerwehr nicht mehr findet. So, das war der letzte Strahl, das diesjährige Osterfeuer ist aus, alles gelöscht und ordnungsgemäß abgewickelt. Dann bis zum nächsten Jahr!