Dr M schrieb am Sonntag, 22. April 2018:
Die Zeit ist um, wir müssen aufhören, sagt der Psychoanalytiker in den USA nach 45 Minuten zu seinem Patienten. Nach 45 Minuten beendete auch eine Band aus den USA, Sari Schorr & The Engine Room, den ersten Teil ihres Auftritts. Der zweite Teil hörte sich dann wie der erste Teil an, und die Ankündigung, wonach die Band 50 Songs komponieren wolle, um dann die besten 12 Songs für ein neues Album herauszufiltern, hörte sich phantastisch an (wer schreibt schon 50 Songs in einem Jahr?), aber wenn ein Stück dem anderen gleicht und sich nur in der Lautstärke (mal eher laut, mal eher leise) unterscheidet, erscheint die genannte Zahl als nicht zu hoch gegriffen. Wenn zu Beginn des zweiten Teils der Leadgitarrist Ash Wilson auf sein in den Raum gerufenes »Good Evening« vom höflich eingestellten Publikum ein freundlich-verhaltenes »Good Evening« zurückbekam und dieser von den Zuhörern im Kasernenhofton ein doch gefälligst lauter artikuliertes »Good Evening« abforderte (sie gehorchten willig) wurde spätestens da deutlich und klar, daß es leider kein guter Abend mehr werden konnte. Denn auch seine musikalische Präsentation fiel aufgeblasen und eindruckschinderisch aus. Beim geringsten Saitenzupfen verzerrte sich sein Gesicht so stark, daß man zu glauben anfing, er liege in den Wehen. Er ist ein prämierter Bluesgitarrist; es kommt aber nicht auf Grifftechnik und Schnelligkeit an, sondern auf das gewisse Etwas, das nicht aus Technik und Egomanie besteht, sondern aus menschlicher Wärme; ist diese vorhanden, überträgt diese sich unmittelbar in die musikalische Form. Die Sängerin besitzt eine gute Stimme, in der Ausführung blieb sie eine solide Rockröhre, deren Repertoire sehr gleichförmig ausfiel, im körperlichen Gebaren wirkte die sich stets freundliche gebende Interpretin geradezu wie eine Drama-Queen, auch ein wenig zu aufgesetzt bescheiden in ihren, private Dinge ausplaudernden, Einleitungen zu den Songs. Das private Jammerstück ›Ordinary Life‹ aber gehört in das intime Besprechungszimmer eines Psychoanalytikers, schließlich muß er für seine horrenden Honorare auch ein bißchen abgestraft werden. »Sari Schorr ist eine Naturgewalt, ein Meteor, ein Komet.« (Dan Cohen in: Nyack’s News Without The Paper, 14.2.2016) Ihre Plattenfirma hat daraufhin ihre CD ›A Force of Nature‹ (Eine Naturgewalt) genannt; als Meteor bezeichnet man das Aufleuchten von Sternschnuppen im Moment ihres Verglühens zu Staub; ein Komet ist ein kleiner Himmelskörper mit mehreren Kilometern Durchmesser, im Weltall geht es raumtechnisch großzügig zu, aber sollte man diesen Vergleich benutzen, um einer Dame damit ein Kompliment zu machen? Doch halt, der Name Komet leitet sich aus dem Altgriechischen ab und bedeutet Haar-Stern oder Haar-Mähne. Und worüber schwärmt Dan Cohen, der Urheber diese Ausführungen? Über Frau Schorrs Haar. Damit nicht genug: »I ask you, how can you not sing like that when you’ve got that hair? […] I could spend the entire review — write an entire book, an ongoing series, even — about her raven dresses«. Danach nennt er sie nur noch Sari, und man weiß jetzt, was sich hier abspielt. Wir verhüllen unser Haupt und zitieren aus dem ›Urban Dictionary‹, was Dan mit Sari mittels dieser CD-Besprechung eigentlich bezweckte: getting into her pants. Die Plattenfirma war zynisch genug, Cohens kosmischen und (unfreiwillig) komischen Mix zu Werbezwecken zu benutzen, um aus Sari Schorr eine $ari $chorr zu machen. Wie traurig die Rockwelt doch manchmal sein kann.