Der Vertreter des deutschen Außenministeriums, der seit Amtsantritt hauptsächlich durch das Tragen von häufig wechselnden modischen Kleidern und Schuhen aufgefallen ist, hat bei der jährlich wiederkehrenden Botschafterkonferenz im Auswärtigen Amt eine Rede vor den versammelten zweihundertsechsundzwanzig Vertretern im Ausland gehalten. Durch den russischen Angriffskrieg habe man »auf brutale Art und Weise« verstehen müssen, daß die eigene Sicherheit, also die der Bundesrepublik Deutschland, »nicht selbstverständlich« sei. Aus dieser Bestandsaufnahme, die die Existenz eines Ministeriums vergißt, das für den Erhalt der Bundeswehr, des Militärs, zuständig ist, ergaben sich folgende Forderungen: »Erstens müssen wir uns neu und stärker aufstellen – politisch, wirtschaftlich, militärisch, zivil und mental.« Dazu müsse man »in die eigene Stärke investieren«. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs las Karl Kraus in den Zeitungen vermehrt von einer immer wiederkehrenden Redewendung: Ausgebaut und vertieft. Zwischen den Staaten wurden ständig die Beziehungen »ausgebaut und vertieft«. Das klang wie eine Beschwörungsformel und war doch nur eine Phrase, die zur Illustration der selbstverständlichen Praxis diente, daß Staaten normalerweise Beziehungen unterhalten, die der Verständigung dienen und überdies den Handel und Verkehr fördern. Die zweite Forderung des deutschen Außenministeriums ist es, daß man »nach außen in unsere europäischen und transatlantischen Allianzen investieren« müsse. Man müsse immer wieder den Mut haben, »Dinge anzustoßen und auch bei Gegenwind nicht einfach einzuknicken«. Die Begründung: »Weil wir es uns nicht leisten können, die Hände in den Schoß zu legen und beim kleinsten Hauch von Widerstand aufzugeben«. Mit der Stärke verhält es sich wie mit dem Ausbau und der Vertiefung: es mag solche Stärke vorhanden sein und sie mag des Ausbaus und der Vertiefung bedürfen, vor allem wenn von außen eine Bedrohung zu registrieren ist. »Nie aber ist so der ganze Inhalt einer Zeit Geräusch geworden, nie so der Bund von Ton und Ding, einer hoffnungslosen Welt und eines verzweifelten Rhythmus, ausgebaut und vertieft gewesen« liest man bei Karl Kraus. Stärker aufstellen,  auch wenn Gegenwind droht, das ist so, als ob man dazu dann sowohl »politisch, wirtschaftlich, militärisch, zivil und mental« stärker aufgestellt, ausgebaut und vertieft werden müßte, und das kann nur heißen: so tun, als sei man stark, als sei man unbezwingbar, aber nur, wenn man immer stärker sich aufstellt, auch wenn niemand weiß, wie man sich so etwas vorstellen soll. Natürlich ist der letzte Punkt in der Reihe der Felder, auf denen man sich stärker aufzustellen anschicken muß, von besonderer Bedeutung: die mentale Aufstellung. Das ist die geistige Aufrüstung, die nicht viele Milliarden wie die Anschaffung von schweren Waffen kosten wird, sondern die jeder Bürger in sich aufstellen kann, wenn er nur will und wenn er bereit ist, bei Gegenwind nicht umzufallen und die Hände nicht in den Schoß zu legen, weil dann der äußere Feind Witterung aufnimmt und sich zum Angriff bereit hält. Wir müssen seit geraumer Zeit mit der Phrase von der »starken Frau« leben, die davon lebt, so zu tun, als sei es erstrebenswert, daß Frauen sich nach dem überkommenen Bild der mächtigen Männer zu formen haben und ebenso rücksichtslos und brutal auftreten wie uns dies die Geschichte des Patriarchats gelehrt hat. Statt »starke Frau« hat sich dann das Wort von der »Powerfrau« durchgesetzt, das noch stärker betont, wozu die erworbene Stärke, »politisch, wirtschaftlich, militärisch, zivil und mental« gut ist: Uneingeschränkt Macht auszuüben und den eigenen Vorteil stets im Blick zu haben. Das bewundert man nun an Frauen in Führungspositionen und an Staaten, die nicht einknicken und bereit sind, sich stärker aufzustellen.