Dr M schrieb am Donnerstag, 10. Mai 2018:
Wenn wir nicht bald die nächste Whisky-Bar finden, müssen wir sterben, ruft Danny van Veldhuizen in die dichtgedrängt stehende Menge der Blues Garage. Es ist eine Zeile aus dem ›Alabama-Song‹ der Doors. Er trinkt wechselweise Bier und Wasser, also nicht einmal ›One Scotch, One Bourbon, One Beer‹ steht auf seinem Durstlöschprogramm. Als Jim Morrison hat er alle charakteristischen Bewegungen des so jung gestorbenen Idols der sechziger Jahre genau studiert, selbst die Stimme klingt ähnlich, ja sogar die Gesichtszüge erinnern an den zum modernen Mythos gewordenen Sänger der Doors. Ein bißchen unheimlich ist das schon. Und doch ist er kein Doppelgänger oder Wiedergänger. Er spielt Jim Morrison, der in diesem Jahr 75 Jahre alt geworden wäre, wie sein Altersgenosse Mick Jagger, der immer noch quicklebendig auf allen Bühnen der Welt herumturnt. Mit der Muskelmasse und körperlichen Kondition von Danny van Veldhuizen und etwas mehr Glück würde auch Jim Morrison heute noch unter uns sein, aber wohl kaum als Sänger der Doors. Wie Robert Plant hätte er neue Projekte gesucht und gefunden. Trotz der unübersehbaren Bühnenpräsenz ist Danny van Veldhuizen aber nicht die wichtigste Person in der Band. Das ist Willem Vonhof, der auf dem durch Ray Manzarek berühmt gewordenen Keyboard Bass alle Register zog und mit seinem furiosen Anschlägen bewies, was man mit einer Orgel alles anstellen kann und wie daneben die Leadgitarre zur Rhythmusgitarre herabgestuft wird und nur ganz gelegentlich die melodische Führung übernehmen darf. Das kleine Glöckchen, bei einigen Doors-Songs ein wichtiges Stilisierungsmittel, durfte auch an diesem Abend nicht fehlen, der Organist Willem Vonhof wedelte damit aber nur noch kurz, als sei es nur noch ein ironisches Zitat. Das Glöckchen ist ein Symbol, es ist das Totenglöckchen, es läutet das Ende ein, aber vielleicht auch die Perspektive auf einen besseren Ort, jenseits der grausamen Realität. Das ist die Idee der Grenzüberschreitung, der Spalt zwischen der Tür, die den Wechsel zwischen Außenwelt und Innenwelt ermöglicht, und deshalb hat sich die Band dann auch den Namen ›The Doors‹ gegeben, nach einem Vers von William Blake: »If the doors of perception were cleansed everything would appear to man as it is, infinite.« Halluzinogene haben in den sechziger Jahren zur Flucht aus dem Gefängnis namens Realität eine verführerische, aber eben auch destruktive Verführungskraft ausgeübt. Heute sind die herrlichen Kompositionen geblieben, an die wir uns ungefährdet halten können: »You know the day destroys the night / Night divides the day / Tried to run / Tried to run / Break on through to the other side.« Und man darf sich nicht sicher sein, was es auf dieser anderen Seite an der Theke zu trinken gibt; es könnte statt des jetzt von Bob Dylan neuerdings beworbenen Whiskys, Marke ›Heaven’s Door‹, auch eine Tasse ›For Heaven’s Sake‹ sein, wie Rory Gallagher und Gary Moore unlängst erfahren mußten (nachzulesen auf Seite 4 des Gästebuchs unter dem Datum des 16. Dezember 2016).