Beim derzeitigen Wachstum der Weltbevölkerung wären wir in 774 Jahren [gerechnet ab 2005] bei 10 Menschen je Quadratmeter Landfläche angelangt, in knapp 2000 Jahren wäre die Masse der Menschen ebenso groß wie die Masse der Erde, in 6000 Jahren hätte die Masse der Menschen die gesamte Masse des Universums erreicht. (J. Diamond: Kollaps. Warum Gesellschaften überleben oder untergehen, 2005, 629)
A: Der französische Staatspräsident Macron hat eine »Wiederbewaffnung« der französischen Nation angekündigt.
B: Um Gottes Willen, versuchen Sie schon wieder, mich in ein Gespräch über ein militärisches Thema hineinzuziehen?! Haben wir uns darüber nicht schon ausgiebig unterhalten? Ich kann’s nicht mehr hören. Und über diesen Moron möchte ich schon gar nicht mit Ihnen reden, ich kann diesen gelackten Kerl nicht ausstehen, der wäre doch besser auf dem Laufsteg als Dressman aufgehoben.
A: Beruhigen Sie sich, der französische Staatspräsident, der übrigens Macron und nicht Moron heißt, hat betont, daß er Frankreich »wehrhafter« machen will, aber nicht bloß auf dem militärischen Sektor.
B: Aber bedeutet das Wort »Wiederbewaffnung« nicht genau das und nichts anderes?
A: Schon, jedoch hat er sich erlaubt den Bedeutungshorizont ein wenig zu erweitern. Er will die französische Gesellschaft »für die neuen Zeiten wappnen«, da die »Welt von gestern beginnt, sich aufzulösen«.
B: Wenn eine Welt von gestern sich auflöst, wie kann es dann überhaupt noch eine Welt geben, da sie doch von gestern ist? Wie kann sich etwas in der Auflösung befinden, wenn es eine Tatsache der Vergangenheit, eine Welt von gestern, sein soll?
A: Ja, das habe ich mich auch schon gefragt. Man sollte wohl bei Politikern keine allzu strengen Maßstäbe bei der Wahl ihrer Worte und Gedanken anlegen.
B: Gedanken? Welche Gedanken? Haben Politiker überhaupt Gedanken zu haben? Sind Sie nicht vielmehr Verkäufer?
A: In gewisser Hinsicht sind sie das schon. Doch kann man nicht ausschließen, daß sie Anwandlungen haben oder ihre Referenten ihnen Gedanken heraussuchen. So hat der jetzige deutsche Finanzminister neulich im Parlament einen Satz von Nietzsche zitiert.
B: Du meine Güte, darüber wollen wir jetzt aber nicht reden. Das ist mir zu banal.
A: Sie haben recht, der Mißbrauch der Philosophie in der Politik ist ein anderes Thema, und kein schönes, wenn ich an die Nietzsche-Zitate denke, die Herr Mussolini damals ständig im Munde führte.
B: Nun sagen Sie mir bloß, was dieser Moron oder Macron denn eigentlich genau angekündigt hat.
A: Gern. Also, neben der »Wiederbewaffnung« Frankreichs …
B: Entschuldigen Sie, daß ich Sie unterbreche, aber verfügt Frankreich nicht über Waffen auf allen Gebieten des militärischen Lebens? »Wiederbewaffnung« kann doch nur stattfinden, wenn es vorher keine Bewaffnung gegeben hat. Und Frankreich wird doch wohl eine Armee haben und alle die Waffen, die man heute so vorrätig hat. Meines Wissens verfügt der französische Staat derzeit über dreihundert Atom-Sprengköpfe.
A: Ja, ja, schon. Nur kann man aus der Sicht dieser ›Staatsmänner‹ nie genug Waffen haben. Außerdem hat der Staatspräsident auch gesagt, es gehe heute um eine Entscheidung über die »Sicherheitsordnung für die kommenden Generationen«. Und mehr Waffen geben der Bevölkerung eben einfach ein gutes Gefühl, beschützt zu sein und sich des Lebens zu erfreuen. Und für diejenigen Franzosen, vor allem die ganz jungen, wolle der Staatspräsident, weil er sie zu der »verlorenen Generation« zählt, wieder »mehr Regeln und Rituale« einführen.
B: Als da wären?
A: Er will hundert »Pilotschulen« gründen lassen, in denen die Schüler alle Schuluniformen tragen. Wenn sich das als Faktor erweise, der den Zusammenhalt stärke, könnte das Tragen dieser Schuluniformen auf alle französischen Schulen übertragen werden. Er sprach sich im übrigen auch dafür aus, daß alle Schulkinder die französische Nationalhymne lernen sollen, damit sie diese dann bei der Zeugnisvergabe in feierlichen Zeremonien singen können.
B: Wie passend zur »Wiederbewaffnung«, denn die ›Marseillaise« war ursprünglich ein ›Chant de guerre pour l’armée du Rhin‹. Im Text heißt es dann sinnigerweise auch: »Zu den Waffen, Bürger! Formiert eure Schlachtreihen, Marschieren wir, marschieren wir! Bis unreines Blut unserer Äcker Furchen tränkt!«
A: Ähem, ja, da müßte man vielleicht am Text noch etwas herumdoktern und ihn von dieser Martialität und diesem typisch französischen Rassismus zu befreien. Aber der Appell zur »Wiederbewaffnung« umfaßt alle Lebensbereiche. So soll es wieder mehr Atomkraft in Frankreich geben. Es kommt aber noch besser: »Wir werden einen großen Plan gegen die Unfruchtbarkeit vorstellen.«
B: Was sagen Sie da? Habe ich mich verhört? Unfruchtbarkeit?
A: Allerdings! Der Präsident sprach sogar von einer »demographischen Wiederbewaffnung«.
B: Ist die Grande Nation zu einer Bananenrepublik geworden? Will man den französischen Frauen zwangsweise Sperma implantieren? Wird es Mutterkreuze geben? Ist dieser Dressman komplett verrückt geworden?
A: »Frankreich muß Frankreich bleiben«, hat er hinzugefügt und damit mehr als nur angedeutet, daß die französische Rasse rein erhalten bleiben soll. Aber vor allem will er gegen die sinkenden Geburtenraten angehen.
B: Es ist doch eine vernünftige Entwicklung, wenn es weniger Menschen auf der ganzen Welt gibt. Wenn ich daran denke, wie viele Menschen Hunger leiden und kein richtiges Dach über dem Kopf haben.
A: Das interessiert einen ›Staatsmann‹ in der Regel nicht. Er muß auf das große Ganze schauen und das heißt, auf die Menge an Menschen und Soldaten, und dafür zu sorgen, daß es nicht an Nachschub mangelt.
B: Das ist widerwärtig. Sollte man nicht daran gehen, die Anzahl der Menschen zu begrenzen? Mit der Minderung der Zahl würden tausenderlei leidige Notstände – Kriege, Kolonisation, Arbeitslosigkeit, Überproduktion – dahinschwinden.
A: Wenn ein nationaler Politiker über nationale Themen spricht, dann beschränkt er sich auf die nationale Perspektive. Alles andere fällt dagegen ab.
B: Das ist dann wohl die Definition von Kurzsichtigkeit.
A: Das Schlimmste habe ich Ihnen aber noch gar nicht erzählt. Die Rede des französischen Staatspräsidenten dauerte fast zweieinhalb Stunden und keiner der Anwesenden, weder der Premierminister noch die Minister durften während dieser Zeit den Festsaal des Élyséepalastes verlassen.
B: Mitgegangen, mitgefangen! »Zittert, Tyrannen und ihr Niederträchtigen. Schande aller Parteien, zittert! Eure verruchten Pläne werden euch endlich heimgezahlt! Jeder ist Soldat, um euch zu bekämpfen. Wenn sie fallen, unsere jungen Helden, zeugt die Erde neue, die bereit sind, gegen euch zu kämpfen.«