So ist zweifellos das Buntfärben der Ostereier, welche die Kinder im Garten suchen müssen, ein Symbol für die Farben der Blumen, die in der Erde schlafen und das Ei, darin alles Leben verwahrt liegt, ist das tiefe Gleichnis des Grabes und der Sehnsucht nach Auferstehung. (Theodor Lessing: Die Farben der Blumen, in: ders.: Blumen, Berlin 1928, 92–108 (107f.))
Am Gartenzaun
Frau Pannemeyer und Prof. Friedrich Lensing unterhalten sich.
Frau Pannemeyer: Guten Morgen, Herr Professor! Na, wagen Sie sich auch aus dem Haus nach den gestrigen Osterfeuern?
Prof. Friedrich Lensing: Ach ja, liebe Frau Nachbarin, das war wieder eine schwere Nacht für mich. Sie wissen, daß ich seit nun schon vielen Jahren an Ostern keine Freude mehr habe. Seit die Osterfeuer epidemisch geworden sind, angefacht durch die hiesige SPD Mitte der achtziger Jahre, bekomme ich nachts keine Luft mehr. Dieser beißende Rauch setzt sich unerbittlich in allen Räumen des Hauses fest. Nun bin ich seit einigen Jahren dazu übergegangen, kurz bevor die heimischen Barbaren die Feuer entzünden, mein Schlafzimmer lange durchzulüften, so daß ich dann wenigstens den Brandgeruch nicht mehr drinnen habe, aber dafür fehlt mir beim Einschlafen dann doch das bißchen Sauerstoff, das man braucht, um in einen gesunden Schlaf hineinzufinden. So stellen sich dann Kopfschmerzen ein, weil die Frischluft, die ich am späten Nachmittag hereingelassen habe, dann doch im Laufe des Tages sich verflüchtigt hat.
Frau Pannemeyer: Wie kann ich Ihnen das nachfühlen! Es geht mir ja genauso. Unsere Biggi, die in Celle im Krankenhaus als Ärztin arbeitet, erzählt mir jedes Jahr davon, wie das auf der Krankenstation für manche Patienten eine jährliche Qual ist und einige der schwerkranken Lungenpatienten sogar unters Sauerstoffzelt gepackt werden müssen. Diese Menschen! Alle wissen vom schädlichen Feinstaub, und unsere Biggi hat gesagt, letzte Ostern wurden sehr hohe bodennahe Feinstaubkonzentrationen gemessen, die durch den Staub hervorgerufen wurden, der aus der Sahara zu uns herübergekommen ist. Die Luftqualität, sagt die Biggi, ist in vielen Teilen Deutschland mäßig bis schlecht Die Emissionen aus den Autos bilden dabei den Hauptanteil. Die Osterfeuer fügen dieser schlimmen Gesamtbilanz noch einiges hinzu. Die Partikel des Feinstaubs dringen tief in die Lungen vor, sagt die Biggi, und lagern sich in den Lungenbläschen ab. Das beeinträchtigt nicht nur die Atemwege, sondern auch das Herz-Kreislauf-System, den Stoffwechsel und das Nervensystem.
Prof. Friedrich Lensing: Es ist ein Irrsinn, der dem menschlichen Geschlecht als Vernunft vorkommt und man tut so, als würde man mit den Osterfeuern etwas für den Erhalt der menschlichen Gemeinschaft tun. Aber haben Sie vor kurzem in der Heimatzeitung diesen Artikel gelesen, der die Überschrift ›USA bitten Deutschland um Eier‹ trug? Es ging um ein neues Vogelgrippevirus, das in Amerika wütet. Der zuständige Redakteur wollte wohl ein Spaßvogel sein mit dieser Überschrift, aber wenn man den Artikel dann las, stand da folgender Satz, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ: »Um die Seuche einzudämmen, wurden in den USA mehr als 166 Millionen Nutzvögel wie Hühner oder Enten gekeult.« Stellen Sie sich das einmal vor: Mehr als 166 Millionen Tiere! Davon waren es 50 Millionen Hühner, das ist der gesamte Legehennenbestand Deutschlands! 50 Millionen Hühner sind gleich 40 Millionen Eier, und das täglich! Ja, da bitten die USA Deutschland um Eier, der Zeitungsredakteur macht eine witzig klingende Schlagzeile und übersieht völlig, welches Grauen sich dahinter verbirgt. Da werden Millionen ›Nutzvögel‹ gezüchtet, um Eier für die Menschen zu legen, und manche von diese Lege-Wesen werden dann später auch noch geschlachtet, um den unersättlichen menschlichen Appetit auf Tierfleisch zu befriedigen, aber das eigentliche Thema ist für diese Zeitung, daß nun in den USA kein anständiges Osterfest gefeiert werden kann, nicht etwa weil es nur wenige Eier auf dem Markt gibt, sondern auch weil eine »Eggflation« die Preise hochtreibt. So muß man in einigen Großstädten der USA zwölf Dollar für ein Dutzend Eier hinlegen.
Frau Pannemeyer: Ach. lieber Herr Professor, das ist ja furchtbar, was Sie da erzählen. Unsere Biggi, die gern Statistiken liest, hat mir erzählt, daß dieses Jahr in Deutschland im Durchschnitt jeder Bundesbürger 249 Eier verdrückt hat. Mich hat man nicht gefragt, aber ich bin auch nicht so ein Eier-Konsument. Man will doch den armen Hühnern auch etwas zum Bebrüten lassen, denn dafür sind die Eier doch eigentlich da. Ich habe gehört, daß Leute, die es sich leisten können, sich hart gekochte Eier als Unterlage für echten Kaviar gönnen, na ja, wer’s zahlen kann! Biggi sagt, laut Statistik der ›Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung‹ ist der bundesweite Verbrauch dieses Jahr um vier Prozent gewachsen, auf rund 20,8 Milliarden Eier. Nicht Millionen, Milliarden! Unglaublich, wie gefräßig die Menschheit ist.
Prof. Friedrich Lensing: Stellen Sie sich vor, man hätte die am Corona-Virus erkrankten Menschen einfach ›gekeult‹. Was gäbe das für einen humanitären Aufstand in der Öffentlichkeit. Die Menschheit würde sich über Jahrzehnte nicht mehr beruhigen über dieses gewaltige Verbrechen an unschuldigen Menschenleben. Aber ›Nutzvögel‹ sind eben keine ebenbürtigen Lebewesen, das sagt ja schon der Begriff ›Nutzvögel‹. Und alles vernutzen die Menschen ja, sie sind die Herren der Welt. Der liebenswerte Dodo, ein großer Vogel, der nicht fliegen konnte und ausschließlich auf der Insel Mauritius im Indischen Ozean gelebt hat, ist im Jahre 1690 ausgestorben. Und wieso ist er ausgestorben? Nicht etwa, weil die Insel ihm kein Futter, hauptsächlich Früchte, mehr bot. Nein, weil menschliche Invasoren Jagd auf die schönen Vögel machten. Das Fleisch des Dodo verspeisten diese Seefahrer nicht, weil es Ihnen nicht schmeckte, aber man fraß in großen Massen die Eier. Da jedes Schiff Ratten mit sich führte, hat die bisher auf Mauritius nicht heimische Pest dafür gesorgt, daß der Dodo innerhalb kürzester Zeit vom Erdboden verschwand. Eingeführte Schweine und Affen haben dann den Rest besorgt, indem sie die Gelege auffraßen. Lesen Sie das großartige Buch ›Der Gesang des Dodo. Eine Reise durch die Evolution der Inselwelten‹ von David Quammen, im Jahre 2001 auf deutsch erschienen. Ich leihe es Ihnen gern einmal, es hat allerdings 974 Seiten, aber es ist ganz leicht zu lesen, weil es packend geschrieben ist.
Frau Pannemeyer: Vielen Dank, Herr Professor Lensing, da will ich gern einmal hineinschauen, falls nicht meine Biggi, wenn sie mich wieder einmal besucht, es mir nicht stiehlt, denn sie ist von Kindheit an eine richtige Bücherratte gewesen. Und diese Art von Ratten lasse ich mir schon gefallen.